Agoraphobie 5: Informationen für Angehörige

Sie haben einen Partner mit einer Agoraphobie und fühlen sich hilflos? In diesem Beitrag finden Sie Strategien mit denen Sie Ihrem Partner helfen können.

Wie kann ich als Angehöriger bei einem akuten Angstanfall helfen? Kann man als Partner zur Beibehaltung der Angst beitragen? Wie soll ich mich als Angehöriger eines Agoraphobikers verhalten?

Sie haben einen Angehörigen mit einer Angsterkrankung und fühlen sich häufig sehr hilflos? Vermutlich haben Sie schon Vieles ausprobiert: gut zureden, drohen, alleine etwas unternehmen, eine Belohnung versprechen, usw. Ich möchte Ihnen in diesem Beitrag einige Strategien vorschlagen, mit denen Sie Ihren Angehörigen unterstützen können.

Wie kann ich als Angehöriger bei einem akuten Angstanfall helfen?

Wenn Ihr Partner gerade einen Angstanfall hat, dann sind alle Maßnahmen hilfreich, durch die Ihr Partner von seinen angstvollen Gedanken und Gefühlen abgelenkt wird.

TIPP Nr. 1: Fragen Sie ihn, was Sie für ihn tun können. Vielleicht tut es ihm gut, in diesem Moment in den Arm genommen zu werden, vielleicht möchte er etwas trinken oder essen - das hilft manchen Menschen in einer akuten Situation.

TIPP Nr. 2: Reden Sie mit ihm, egal über welches Thema, Hauptsache, er kommt auf andere Gedanken, ist abgelenkt.

TIPP Nr. 3: Versichern Sie Ihrem Partner, dass nichts Schlimmes passieren kann und wird. Veranlassen sie ihn, ruhig und langsam zu atmen. Fordern Sie ihn auf, seine Muskeln zu entspannen, seine Schultern, Arme und Beine. Sagen Sie ihm: atme ruhig, atme langsam, entspann dich. Wenn Sie Zweifel haben, ob hinter den geäußerten Symptomen nicht doch eine ernsthafte körperliche Ursache stecken könnte, gehen Sie mit Ihrem Partner zum Arzt.

TIPP Nr. 4: Machen Sie mit ihm die folgende Atemübung. Sagen Sie ihm, er soll etwas tiefer einatmen als gewöhnlich und in einer Bewegung wieder ausatmen, d.h. ohne den Atem nach dem Einatmen anzuhalten. Wenn er ausgeatmet hat, soll er seinen Atem für 6 Sekunden anhalten, indem in Gedanken von 1001 bis 1006 zählt. Nachdem er den Atem angehalten hat, soll er wieder einatmen, in einer Bewegung wieder ausatmen (ohne den Atmen anzuhalten) und ihn dann für weitere 6 Sekunden anhalten. Er soll diese Atemübung für 2 bis 3 Minuten bzw. so lange wiederholen, bis er deutlich entspannter und ruhiger ist.

TIPP Nr. 5: Fordern Sie Ihren Partner auf, sich zu bewegen. Gehen Sie z.B. mit ihm im Zimmer auf und ab, tanzen Sie mit ihm oder machen Sie Kniebeugen mit ihm, usw.

Was Sie unterlassen sollten: Seine Angst ist real und vielleicht sieht er sich in Lebensgefahr, d.h. es nützt nichts, ihm zu sagen, er solle sich zusammenreißen oder nicht so anstellen. Auch Kommentare wie "Du brauchst doch keine Angst zu haben" sind nicht hilfreich, denn Ihr Partner hat gerade Angst.

Kann ich als Partner zur Aufrechterhaltung der Angst beitragen?

Wenn Ihr Partner unter einer Angsterkrankung leidet, dann bleibt dies nicht ohne Auswirkungen auf Ihre Partnerschaft. So verändern sich vielleicht schleichend die Aufgabenverteilung und die gemeinsamen Aktivitäten. Es könnte sein, dass Sie mehr oder weniger unbewusst durch bestimmte Verhaltensweisen dazu beitragen, die Angst Ihres Partners zu stärken und aufrecht zu erhalten.

Verhaltensweisen, die dazu beitragen, dass die Angst des Partners gefestigt wird.

  • Vielleicht nehmen Sie ihm Aktivitäten wie etwa das Einkaufen ab, weil Ihnen die Diskussionen lästig sind, Sie Konflikten aus dem Weg gehen wollen oder ihn einfach nicht mehr leiden sehen wollen. Dadurch aber wird Ihr Partner immer unselbständiger.
  • Oder aber Sie glauben, er schaffe es nicht ohne Ihre Hilfe und helfen ihm auch in Situationen, in denen er ganz gut alleine klarkäme.
  • Auch hier fördern Sie seine Unselbständigkeit und nehmen ihm die Chance, sein Vertrauen in sich und seinen Körper zu stärken.
  • Ein Motiv, die Angst des Partners zu erhalten, könnte auch sein, dass Sie befürchten, Ihr Partner würde Sie verlassen oder alles in der Partnerschaft würde schwieriger werden, wenn er keine Angst mehr hätte.
  • Deshalb ist seine Abhängigkeit von Ihnen für Sie ganz willkommen und Sie fördern diese.
  • Es könnte auch sein, dass Sie sich gebraucht fühlen, wenn Sie Ihrem Partner helfen, d.h. Sie nähren Ihr Selbstwertgefühl durch Ihre Hilfe. Bräuchte er Ihre Hilfe nicht mehr, dann kämen Sie sich nutzlos vor.

Wie soll ich mich als Angehöriger verhalten?

Als Partner spielen Sie eine wichtige Rolle dabei, Ihren Partner auf dem Weg aus der Angst zu begleiten. Auch wenn Sie kein Therapeut sind, können Sie für Ihren Partner Unterstützer, Freund und Zuhörer sein.

Hier einige Tipps, wie Sie Ihren Partner unterstützen können:

  • Ermutigen Sie ihn behutsam und mit sanftem Druck zu kleinen Schritten und loben Sie ihn, wenn er den Schritt bewältigt hat.
  • Bestärken Sie ihn immer wieder, mit der Angst in Situationen zu gehen.
  • Erinnern Sie ihn immer wieder daran, dass die Angst mit Übung abnehmen wird.
  • Motivieren Sie ihn, leichten Sport zu treiben; durch die körperliche Betätigung wird sein Körper wieder belastbarer und das ist wichtig.
  • Raten Sie ihm eindringlich zu einer Verhaltenstherapie, wenn er sich nicht alleine aus dem Gefängnis der Angst befreien kann.
  • Informationen zum Beantragung & Ablauf einer Psychotherapie

Bedenken Sie immer:

Eine Hilfe, die die Unselbständigkeit Ihres Partners fördert und verstärkt, ist keine Hilfe - auch wenn es Ihrem Partner durch Ihre Hilfe vielleicht kurzfristig besser geht, weil er nicht mit seinen Ängsten in Berührung kommt. Langfristig schaden Sie ihm durch eine wohlgemeinte, aber zu schonende Haltung, da sich seine Angst immer mehr verstärken und festigen wird. Nehmen Sie Ihrem Partner also keine Aufgaben ab, vor denen er Angst hat oder bei denen es ihm mulmig ist, die er selbst erledigen könnte.

Wichtig zu wissen: Eine zu große Fürsorge ist bei der Angstbewältigung nicht förderlich. Im Gegenteil: die gutgemeinte Hilfe kann sich zum Schaden Ihres Partners verkehren.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft, Ihren Partner zu begleiten, und dass sie beide bald wieder gemeinsam die Partnerschaft genießen können. Alles Gute für Sie.

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 Verhaltensweisen, die dazu beitragen, dass die Angst des Partners gefestigt wird.
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