Hilflosigkeit war gestern, Handlungskompetenz ist heute – #58

Wie gelingt es, das immer wiederkehrende Gefühl der Hilflosigkeit zu überwinden und selbstwirksam zu werden? Dieser Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" gibt Erklärungen und Hilfestellungen. 

Hilflosigkeit war gestern, Handlungskompetenz ist heute – #58
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

In Zeiten akuter Herausforderungen, für die du mit deinen bisherigen Problemlösestrategien bisher noch keine Lösungen gefunden hast, kannst du dich nachvollziehbar manchmal völlig hilflos fühlen. Es sind die Momente, in denen es im wahrsten Sinne des Wortes klug ist innezuhalten. Erinnere dich an diese aus dem Mittelalter stammende Redewendung jedes Mal dann, wenn du dich verzweifelt und hilflos fühlst: Halte inne!

So gelingt Innehalten

Schau nach innen. Halte an. Lege eine Pause ein. Selten müssen wichtige Entscheidungen innerhalb von Sekunden oder wenigen Minuten getroffen werden. Lass los. Wenn du meditieren kannst, meditiere. Wenn Meditation nicht dein Ding ist, erlaube dir einfach, für ein paar tiefe Atemzüge die Augen zu schließen. Ein kurzer Bodyscan von Kopf bis Fuß, oder von Fuß bis Kopf, hilft ebenfalls dabei innezuhalten. Das Getriebenheitsrädchen anzuhalten, das Gefühl völliger Hilflosigkeit zu bändigen, die Handlungskompetenz wiederzuerlangen, beginnt für die meisten meiner Patientinnen und Patienten jedoch darüber hinaus häufig damit, die Technik der radikalen Akzeptanz anzuwenden. Radikale Akzeptanz bedeutet, dir einzugestehen, dass die Situation im Innen wie im Außen genauso ist, wie sie ist. Wenn du dich also hilflos fühlst, dann erlaube dir, dir das selbst gegenüber auch anzuerkennen:

„Oh ja – jetzt fühle ich mich völlig hilflos. Jetzt weiß ich nicht mehr weiter.“
 

Von Bruce Lee lernen zu akzeptieren

Eine beeindruckende Szene aus einem alten Bruce Lee-Film, die ich gerne mit meinen Patientinnen und Patienten teile, hilft vielleicht auch dir dabei, die Technik der radikalen Akzeptanz auf eine dir Kraft und Energie gebende Art und Weise anzuwenden:

Bruce Lee, der nahezu unbesiegbare Kung Fu- und Karatekämpfer in den Kampfkunstfilmen der 1970er Jahre, war von Bösewichten in einen Hinterhalt gelockt worden. Wusch, fiel von links eine unüberwindbar hohe und dicke Stahlplatte neben ihm herunter. Wusch, eine zweite hinter ihm. Wusch, eine dritte rechts von ihm. Und damit nicht genug: wusch, eine vierte vor ihm. Ein anderer hätte nun vielleicht wütend auf die Stahlplatten eingedroschen, geflucht und getobt oder sich verzweifelt und hilflos in eine Ecke gekauert. Nicht jedoch Bruce Lee. Die Aussichtslosigkeit seiner Lage erkennend, setzte er sich im Schneidersitz in die Mitte seines Stahlverlieses und fokussierte sich auf seinen Atem, den er beobachtend ein- und ausströmen ließ. Er wusste, dass jetzt, in diesem Moment jegliches aufgeregte Agieren eine völlig nutzlose Vergeudung seiner Kräfte wäre.

Er akzeptierte sein JETZT für diesen Moment radikal. Er akzeptierte, JETZT nichts an seiner derzeitigen Lage ändern zu können: Ja, so ist es. Ja, so ist es. Ja, so ist es. JETZT. Durch seine radikale Akzeptanz erhöhte er seine Handlungskompetenz. Aber natürlich wusste er auch, dass das einzig konstante im Leben der Wandel ist. Irgendwann würden die Bösewichte auftauchen und dann würde er erneut und zentriert seine Kampfkünste zum Einsatz bringen. Selbstverständlich tauchten sie auch wieder auf. Und wie nicht anders zu erwarten, gewann er seine Freiheit zurück.

Verstand, Geist und Körper in Einklang bringen

In den meisten Fällen, in denen du dich hilflos fühlst, wirst du nicht unbedingt an deine Karate- oder Kung Fu-Fähigkeitsgrenzen kommen. Gleichwohl bringt auch dir jedes Innehalten die bestmöglichen Betriebsbedingungen für dein Gehirn. Deine linke und rechte Gehirnhälfte synchronisieren sich dadurch. Vordere und hintere Gehirnteile kommunizieren besser miteinander. Gehirnwellen fließen ruhiger und harmonischer. Herz und Verstand, Körper und Geist arbeiten wieder koordinierter miteinander. Du kannst mit größerer Wahrscheinlichkeit Zusammenhänge erkennen, die du vorher nicht gesehen hast. Neue, dir bislang verschlossene Lösungsmöglichkeiten können sich dir so leichter eröffnen.

Mein Erste-Hilfe-Tipp bei Hilflosigkeit an dich

In dir ruhend zu akzeptieren, dass es JETZT gerade so ist, wie es ist. Und wach zu bleiben für neue Handlungsmöglichkeiten im weiteren Fluss des Lebens. Das ist es, was förderlich ist, Hilflosigkeit in Handlungskompetenz zu verwandeln und deine Lebensfreude auch in herausfordernden Zeiten beizubehalten.

Dein

Gert Kowarowsky

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 Mein Erste-Hilfe-Tipp bei Hilflosigkeit an dich
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