Wenn wir uns hilflos fühlen, dann meist, weil wir aufgrund von negativen Ereignissen oder in Krisen gelernt haben, uns hilflos zu fühlen. Das Gefühl der Hilflosigkeit kann aber auch wieder verlernt werden. Dieser ABC-Beitrag zeigt, wie das gelingen kann.
Der Psychologe Martin Seligman hat den Begriff erlernte Hilflosigkeit entwickelt. Erlernte Hilflosigkeit bedeutet, dass wir uns aufgrund von meist wiederholten negativen, unangenehmen und unkontrollierbaren Erfahrungen (z. B. durch Verlust, Gewalt, Entlassung, Missbrauch, Strafe, Bedrohung, Behinderung, Mobbing) die Einstellung angeeignet haben, ohne Kontrolle, also hilflos zu sein.
Aufgrund vergangener Erfahrungen und Krisen, in denen wir uns hilflos fühlten, in denen wir erlebten, dass wir nichts tun konnten, um uns aus einer unangenehmen Situation zu befreien, haben wir vielleicht die Überzeugung entwickelt, dass wir wehr- und hilflos sind. Auch im Tierreich ist schließlich Lethargie zu beobachten, wenn kein Ausweg aus einer unangenehmen Situation möglich war oder immer noch ist.
Um die Entstehung des Gefühls besser zu illustrieren, kann die Geschichte vom Elefanten hilfreich sein:
Sicher waren Sie schon einmal im Zirkus. Vielleicht haben Sie dort einen Elefanten gesehen, der an einem kleinen Pflock angekettet war. Haben Sie sich nicht gefragt, wie es möglich ist, ein so starkes Tier an einen so kleinen Pflock anzuketten? Für den Elefanten müsste es doch eigentlich ein Leichtes sein, diesen Pflock herauszureißen und sich so zu befreien, oder? Warum aber tut er es nicht? Des Rätsels Lösung ist: der Elefant "glaubt", er sei hilflos. Als Baby hatte man den Elefanten ebenfalls an einen solchen Pflock angekettet. Als er jedoch noch klein war, hatte er noch nicht die Kraft, sich zu befreien. So sehr er damals auch versuchte, sich loszureißen, es misslang. Je öfter er vergeblich versuchte, sich zu befreien, je mehr er als Baby die Erfahrung machte, dass er hilflos war, dass der Pflock stärker war als er, umso mehr "glaubte" er es, und schließlich gab er auf.
Der Elefant hatte gelernt, hilflos zu sein, und diese Erfahrung war von nun an unauslöschbar ein Teil seiner Welt. Als er älter wurde und die Kraft hatte, sich loszureißen, versuchte er es gar nicht erst, da er als Baby hunderte und vielleicht tausende Male die Erfahrung gemacht hatte, dass es zwecklos ist, sich dagegen zu wehren. Ähnlich lernen auch wir Menschen, uns hilflos zu fühlen. Aufgrund vergangener Erfahrungen und Krisen, in denen wir uns hilflos fühlten, in denen wir erlebten, dass wir nichts tun konnten, um uns aus einer unangenehmen Situation zu befreien, haben wir die Überzeugung entwickelt, dass wir wehr- und hilflos sind. Diese Erfahrungen des Hilflosseins beeinflussen heute als Erwachsene immer noch unser Denken, Fühlen und Handeln, auch wenn wir es tatsächlich gar nicht (mehr) sind, ebenso wenig wie der ausgewachsene Elefant. Wichtig ist nur, dass wir überzeugt sind, schwach und hilfsbedürftig zu sein.
Wenn wir uns in einem Zustand erlernter Hilflosigkeit befinden, dann sehen wir uns selbst als Problem und unsere generelle Lebenssituation als nicht veränderbar. Wir denken uns: "Das hat eh alles keinen Sinn", "Da kann ich nichts machen. Ich bin zu schwach. Ich bin auf Hilfe angewiesen." Oder: "Es ist halt so."
Wir glauben, keinen Einfluss auf unsere Situation zu haben. Damit begeben wir uns ungewollt in eine passive Rolle und in eine Opferposition. Wir unternehmen unter Umständen nichts oder nur wenig, um unsere Situation zu verändern, obwohl wir vielleicht etwas ausrichten könnten. Wir fühlen uns als Opfer der Umstände oder der Menschen. Wir resignieren, werden depressiv, apathisch, ängstlich und neigen zu Rückzug. Das kann sich auch auf unsere körperliche Gesundheit negativ auswirken.
Wir haben jederzeit die Möglichkeit, erlernte Hilflosigkeit auch wieder zu verlernen. In kleinen Schritten können wir wieder Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten entwickeln, uns so mit der Zeit Selbstvertrauen aneignen und die erlernte Hilflosigkeit überwinden. Durch Änderungen in der Einstellung und im Verhalten und Stärkung unserer Resilienz können wieder neue Erfahrungen entstehen, die das Gefühl der Kontrolle und Möglichkeit der Einflussnahme und die Selbstwirksamkeit stärken. Je nach Ausmaß der eignen Betroffenheit ist dafür therapeutische Unterstützung durch eine ärztliche, psychologische oder andere professionelle Beratung erforderlich.
"Ob du glaubst, etwas zu können oder etwas nicht zu können, du behältst immer Recht."
Kaum eine Situation ist ausweglos, solange wir sie nicht im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung so sehen. Um aus dem Zustand der erlernten Hilflosigkeit herauszukommen, ist es daher notwendig, dass wir unsere Einstellung verändern und uns selbst stärken. Das gelingt, indem wir Gedanken entwickeln wie: "Ich prüfe, wie viel ich bewirken und welche Alternativen ich habe, die Situation nach meinen Vorstellungen zu gestalten oder zu verändern."
Dazu gehört zum einen die Erkenntnis, dass wir heute selbst unsere Gedanken, Gefühle und unser Handeln beeinflussen und so in scheinbar ausweglosen Situationen Lösungen finden können. Zum anderen gehört dazu die Erkenntnis, dass wir nicht die Verantwortung für äußere Einflüsse tragen, die uns in den Zustand der Hilflosigkeit gebracht haben.
Um neue Krisen von außen unbeschadet zu überstehen und alte Muster zu durchbrechen, ist es entscheidend, die innere Stabilität und Resilienz zu fördern, um so seelische Widerstandskraft zu entwickeln. Auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und sich selbst etwas Gutes zu tun, sind erste Schritte auf diesem Weg.
Es ist wichtig, die gefundenen Lösungen in die Tat umzusetzen nach dem Motto: "Erst wenn bewiesen ist, dass ich nichts ändern kann, werde ich die Situation so hinnehmen." Auf diese Weise können wir unsere Problemlösefähigkeit nachhaltig stärken und mögliches Vermeidungsverhalten oder Prokrastination überwinden. Es gilt, sich langsam vorzutasten und das Vertrauen in die eigene Handlungs- und Einflussmöglichkeit allmählich wiederzugewinnen und auszubauen.
"Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren."
Theodor W. Adorno
Verständnisvolle und zugewandte Partnerinnen und Partner, Familie und Freunde oder auch nahe Kolleginnen und Kollegen erleichtern es uns, erste Schritte auf dem Weg zur Überwindung der erlernten Hilflosigkeit zu gehen und alte Muster zu durchbrechen. Menschen, die nicht mit den eigenen Ängsten oder der vermeintlichen Schwäche spielen, sondern uns einen sicheren Hafen bieten, können uns wieder Flügel verleihen und das Selbstvertrauen stärken. Wichtig ist jedoch, dass wir den Kontakt zu ihnen suchen und ihre Hilfsangebote auch annehmen anstatt darauf zu achten, dass nach außen hin alles in Ordnung zu sein scheint. Indem wir vertrauten Menschen unsere Schwäche zeigen und uns ihnen öffnen, können wir nichts verlieren und im Zweifel die Beziehungen zu ihnen sogar verstärken.
Sich hilflos zu fühlen, geht bei vielen Menschen mit Schuldgefühlen einher. Sie schämen sich dafür, schwach zu sein und sehen sich als verantwortlich für ihren Zustand. Doch Schwächen gehören zu uns Menschen dazu – egal, woher diese kommen und wie entstehen. Hilfreich ist es daher, ihnen und uns mit Verständnis, Empathie und Liebe zu begegnen. Besonders, wenn wir von außen wenig Unterstützung erhalten haben oder sogar Ablehnung erleben mussten, brauchen wir uns selbst als guten Freund. Dazu gehört auch, dass wir uns nicht verbiegen, sondern dazu stehen, wie wir sind und uns in dieser Situation fühlen. Zudem können wir die Folgen des ungünstigen Einflusses von zurückliegenden (oder gegenwärtigen) Erfahrungen nicht von heute auf morgen ändern, sondern benötigen Geduld mit uns selbst.
Wenn wir wieder ein Gefühl von Kontrolle und Einflussmöglichkeit erleben, indem wir handeln, wirkt sich das günstig auf den Selbstwert und unser Selbstvertrauen aus. Das ist entscheidend dafür, wie wir auf Krisen und ungünstige äußere aktuelle oder zukünftige Einflüsse reagieren und stärkt uns nachhaltig.
So banal es klingt, körperliche Entspannung ist ein hervorragendes Heilmittel gegen das Gefühl von Hilflosigkeit. Denn wie viele andere negative Gefühle ist auch Hilflosigkeit mit geistigem und körperlichem Stress verbunden. Entspannung wirkt sich günstig auf unseren Geist und Körper aus und ermöglicht es uns, uns wieder zu zentrieren und auf uns selbst und unsere Einflussmöglichkeit zu besinnen. Dazu empfehlen sich Atemübungen, Meditation oder auch die Progressive Muskelrelaxation.
Vielen Menschen hilft es, die Übungen der Progressiven Muskelentspannung in Kursen oder für sich selbst mithilfe von CDs unter Anleitung durchzuführen.
Dr. Doris Wolf und Dr. Rolf Merkle, beide Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten, haben genau hierfür eine Tiefenentspannungs-CD entwickelt, die sowohl eine kurze Einführung in die Entspannungsmethode der Muskelentspannung nach Jacobson als auch eine ca. 35-minütige Fantasiereise enthält.
„Unser Ziel war und ist es, Betroffenen Verständnis für ihre körperlichen und seelischen Reaktionen zu vermitteln, Mut zu machen und sie zur Selbsthilfe anzuleiten.“
Dr. Doris Wolf und Dr. Rolf Merkle
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