"Ich kann dich einfach nicht verstehen." Kommt dir der Satz bekannt vor? Aber was bedeutet es, andere zu verstehen oder nicht zu verstehen? Was ist soziales Verständnis? Erfahre mehr in diesem Lebenshilfe-ABC-Beitrag.
Eine andere Person zu verstehen, bedeutet, dass du ihre verbalen und nonverbalen Signale richtig deuten kannst. Die Begriffe "Verständnis" und "verstehen" haben mehrere Bedeutungen:
Meist geht es uns nicht um das rein akustische und auch nicht um das sachliche Verstehen. Wir können unser Gegenüber nicht verstehen, weil unser Erfahrungshintergrund und unsere Lebenseinstellungen zu unterschiedlich sind. Wir betrachten seine Person und sein Verhalten durch unsere ganz persönliche Brille und können deshalb nicht nachvollziehen, wie sie sich fühlt und verhält. Meist kommt auch noch unsere persönliche Wertung hinzu: "Wie kann man nur so dämlich sein!" oder "So was kann man doch nicht machen!"
Die Fähigkeit, andere Menschen jenseits ihrer Sprache und reinen Wortbedeutungen zu verstehen, wird in der Psychologie soziales Verständnis oder, weiter gefasst, soziale Intelligenz genannt. Damit gemeint ist, dass wir die mitgegebenen Informationen und die Zusammenhänge von Aussagen sowie die Beweggründe dafür wahrnehmen und für uns einordnen können. Gelingt uns das, können wir sinnvolle Schlüsse ziehen, was diejenige Person mit ihrer Aussage meint, was ihr Ziel ist und aus welcher Motivation sie uns etwas gesagt hat. Und wir können unsere Antwort oder unser Handeln in einem Maße danach ausrichten, dass bestenfalls wir und die andere Person einen gemeinsamen Schritt weiterkommen. Wir können der oder dem anderen beispielsweise Verständnis und Mitgefühl entgegenbringen oder uns von ihrer oder seiner Aussage distanzieren, wir können zustimmen und bestärken oder widersprechen und Kritik üben.
Um also die Beziehung zu unserem Gegenüber für uns beide positiv zu entwickeln, müssen wir sie einschätzen können und das ist nicht leicht. Denn wir alle haben im Laufe unseres Lebens unsere Art der Kommunikation an unser Umfeld angepasst. Wir haben etwa Höflichkeitsregeln gelernt, uns wurde beigebracht, anderen freundlich gegenüberzutreten und negative Gestimmtheiten wie Ärger, Traurigkeit oder Enttäuschung für uns zu behalten. Das führt aber dazu, dass wir alle an Authentizität verlieren und oft unklare oder unseren eigentlichen Stimmungen widersprechende Signale senden. Wir lächeln, obwohl uns etwas aufregt. Wir sind sachlich, obwohl uns etwas amüsiert. Ein ausgeprägtes soziales Verständnis zu entwickeln, ist weder angeboren, noch leicht zu erwerben, sondern ein langer, oft lebenslanger Weg.
Soziales Verständnis zu üben lohnt sich, denn andere zu verstehen bringt uns innerlich weiter, macht uns resilienter und stärker, ausgeglichener und erfolgreicher. Wenn wir hinter die Worte unseres Gegenübers schauen können, dann können wir ihren oder seinen Aussagen auf einer anderen Ebene begegnen. Dann treffen uns etwa Kritik oder sogar eine Beleidung nicht so sehr, weil wir wissen warum unser Gegenüber das gesagt hat, in welcher Lage es ist, ob es uns wirklich treffen wollte oder die Aussage einfach nur ungeschickt war. Und wir können dem eine Reaktion entgegenbringen, die eine negative Situation für beide auflöst anstatt sie zu verstärken.
Und das Beste ist: Wir können jederzeit damit beginnen – egal, wo wir im Leben stehen und wie weit wir schon auf unserem Lebensweg fortgeschritten sind. Die Zutaten dafür sind:
Soziales Verständnis funktioniert immer dann nicht, wenn wir dem inneren Drang nachgeben, Aussagen zu interpretieren, wenn wir also die berühmte Schublade aufmachen und sie, schlimmstenfalls zusammen mit der aussagenden Person hineinschieben. Denn dann verengen wir unseren Blick und fassen für uns eine Meinung, von der wir nur schwer wieder ablassen können. Wir fällen ein inneres Urteil und können es, wie im Gericht, nur sehr schwer wieder rückgängig machen. Ja, mehr noch, jedes Urteil vermehrt unsere innere Liste an Vorurteilen.
In vielen sozial-wissenschaftlichen Testreihen wurde nachgewiesen, dass Menschen, denen zu einer Person bestimmte Informationen gegeben wurden, alle ihre Aussagen in einem Licht bewerten. Dass wir bewerten und ver- bzw. vorurteilen steckt uns übrigens quasi in den Genen. Es ist ähnlich wie der Negativity Bias, ein psychologischer Schutzmechanismus aus der Urzeit, der unseren Vorfahren half, Gefahrensituationen, etwa durch Fremde, blitzschnell einzuschätzen zu können und so ihr Leben und das ihres Stamms zu schützen. Doch diese Fähigkeit brauchen wir heute glücklicherweise nur noch in den seltensten Fällen.
Willst du dein Verständnis anderen gegenüber trainieren und das Schubladendenken überwinden, dann hilft es, kleine „Trockenübungen“ zu machen, die deinen Geist öffnen. Beispielsweise kannst du bei deinem nächsten Besuch im Supermarkt versuchen, an allen Kundinnen und Kunden, die an dir vorbeilaufen, mindestens zwei Auffälligkeiten bzw. Merkmale zu entdecken, die du interessant findest und die dich veranlassen würden, ein Gespräch zu beginnen. Wiederhole diese Übung mindestens zwei Wochen lang. Du wirst sehen, der positive Effekt auf deine Wahrnehmung und deine Fähigkeit, nicht vorschnell zu bewerten und zu urteilen, ist enorm. Und er wird sich auch in deinen nächsten Begegnungen mit Menschen zeigen, mit denen du dich unterhältst.
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