Optimistisch durchs Leben zu gehen ist wichtig für unsere Zufriedenheit. Werden aber negative Gefühle komplett verdrängt, kann das gefährlich werden. Der Beitrag zeigt wirksame Wege aus der toxischen Positivität.
Der Flurfunk hatte es schon angekündigt: Die Frau deines Kollegen ist von einem Tag auf den anderen ausgezogen. Du kennst ihn seit vielen Jahren, ihr seid befreundet und dich hat diese Nachricht getroffen wie ein Blitz: „Das kann doch nicht sein!“ Deine Sorge um ihn wächst. Doch dann kommt er ins Büro, bestens gelaunt und tut so, als sei nichts geschehen.
„Ach, das wird schon wieder“, so sein einziger Kommentar. Wo ist der Schmerz?, denkst du dir. Wo sind Wut und Hilflosigkeit? Dein Kollege hat sie einfach weggepackt. Doch was im ersten Moment nach einer tollen Kämpfer-Mentalität klingt, bringt oft viele Probleme. Denn werden negative Gefühle nicht verarbeitet, stauen sie sich an. Hier braucht es wirksame Wege heraus aus einer Positivität, die giftig wirkt.
Toxische – also giftig wirkende – Positivität ist eine übertriebene und erzwungene optimistische Denkweise. Negative Gefühle werden unterdrückt, indem in wirklich jeder Situation das Gute, der kleine Hoffnungsschimmer oder der Strohhalm gesehen wird, an den wir uns klammern können. Trauer, Wut, Frust, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit – solche Emotionen lassen toxisch positive Menschen nicht zu. Dabei können sie selbst betroffen sein, aber auch ihr enges Umfeld kann toxisch positiv auftreten und sie damit beeinflussen.
Betroffene verdrängen – teils bewusst, teils unbewusst – die eigenen negativen Emotionen. Der Fokus liegt immer auf einem möglichen positiven Aspekt. Egal, wie klein dieser ist und wie belastend die eigene Situation gerade ist. Dabei sind optimistische Gedanken und gute Laune nicht gleich toxische Positivität. Erst, wenn sie ein normales und gesundes Ausmaß überschreiten und das optimistische Denken zwanghaft wird, ist die Positivität toxisch und damit schädlich.
Das spiegelt sich auch in der Sprache wider. Toxische Denkmuster lassen sich an typischen, oft wiederholten Formulierungen erkennen wie: „Das ist doch alles nicht so schlimm", „Sieh es doch mal positiv …“ oder „Alles wird gut“. Solche Sprüche sind oft gut gemeint. Sie sollen aufheitern, reden aber die Gefühle klein, unsere eigenen ebenso wie die von anderen.
So denken viele, doch toxische Positivität ist schädlicher, als den meisten bewusst ist. Das erste Problem: Je häufiger du deine negativen Gefühle unterdrückst, desto schwerer fällt es dir in Zukunft, diese zuzulassen und zu verarbeiten. Irgendwann kannst du gar nicht mehr mit deiner Wut, deiner Hilflosigkeit oder Trauer umgehen, also schiebst du diese immer wieder weg. Das ist ein Teufelskreis. Denn nicht verarbeitete Emotionen verschwinden nicht einfach, sie stauen sich auf. Am Schluss brechen sie aus dir heraus, und du kannst sie nicht mehr kontrollieren.
Toxische Positivität stresst auch. Denn wenn du ständig Sprüche hörst wie „Das ist doch alles nicht so schlimm …“, steigt der Druck, dauerhaft gut gelaunt zu sein und das auch nach außen hin zu zeigen. Der Drang zur übermäßigen “Alles-ist-toll-Attitüde” belastet sehr.
Im Gespräch vermittelt toxische Positivität zudem den Eindruck, du würdest dein Gegenüber und seine Emotionen nicht ernst nehmen. Oder wie ginge es dir, wenn du aufgewühlt wärst und anstelle von Verständnis oder Mitgefühl ein „Stell dich nicht so an …“ und „Kopf hoch, wird schon wieder …“ hörtest. Nicht gut wahrscheinlich, weil du dich nicht verstanden fühlst. Darunter können Beziehungen sehr leiden.
Eine realistische Betrachtung auf dein Leben und das Zulassen all deiner Gefühle heißt keineswegs, pessimistisch zu werden. Im Gegenteil: Eine optimistische Grundeinstellung ist ein wichtiger Baustein für ein erfülltes Leben. Aber auch hier gilt es, die Balance zu wahren, Wahrheiten ins Auge zu blicken und sie dann positiv-konstruktiv anzugehen.
Was also kannst du gegen toxische Positivität tun? Der Anfang ist – wie so oft – schon gemacht, wenn du ehrlich genug zu dir bist, das Problem zu erkennen. Dann erst kannst du ins Tun kommen und wirklich etwas daran ändern.
Der wichtigste Schritt kommt gleich am Anfang. Wehr dich nicht gegen schwierige Gefühle, sondern lass sie da sein. Du bist gerade wütend, traurig, hilflos oder frustriert ... und das ist in Ordnung. Auch wenn es sich nicht angenehm anfühlt. Negative Emotionen sind wichtig, weil sie dir zeigen, welche Bedürfnisse gerade nicht erfüllt sind und was du brauchst, damit es dir besser geht. Wenn du deine Gefühle unterdrückst, kannst du ihre Botschaft nicht hören.
Wahrscheinlich hast du schon das eine oder andere Mal auf die Frage „Wie geht‘s dir?“ mit einem „Alles gut“ oder „Passt schon“ geantwortet, obwohl es gar nicht gestimmt hat. Toxische Positivität lässt sich überwinden, wenn du den Mut hast, offen und ehrlich über deine Emotionen zu sprechen. Öffne dich Menschen gegenüber, die dir nahestehen und denen du vertraust. Sprich an, wenn es dir nicht gut geht, und nenne die negativen Emotionen beim Namen. Das macht dich authentischer.
Negative Gefühle werden oft verdrängt, weil wir Angst haben, dass andere uns damit sehen und uns negativ bewerten. Aber stimmt das wirklich? Wie ist es zum Beispiel, wenn du einen Menschen, der dir am Herzen liegt, weinen siehst? Das berührt dich, oder? Gefühle sind menschlich, sie gehören zum Leben dazu ... und ganz oft verbinden sie sogar. Also, wenn du traurig bist oder angestrengt, dann lass es da sein und erlebe, was passiert. Es wird von Mal zu Mal einfacher, dich „ungeschminkt“ zu zeigen. So kommst du immer mehr in wahren Kontakt mit dir selbst und den Menschen um dich herum. Und du machst die Erfahrung, dass diese Verbundenheit wirklich trägt.
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