Alleinsein muss nicht Einsamkeit bedeuten

Leseprobe aus dem Ratgeber "Einsamkeit überwinden": Ergreifen Sie die Chance, sich aus dem Gefängis der Einsamkeit zu befreien!

Alleinsein muss nicht Einsamkeit bedeuten
© PAL Verlag, unter Verwendung eines Fotos von Josiah Weaver, unsplash.com

Viele einsame Menschen glauben, dass man sich in dem Augenblick, in dem man alleine ist, auch einsam fühlen muss. Sie sehen das Alleinsein als die Ursache der Einsamkeit an. Und sie sehen die Anwesenheit eines anderen als Heilmittel gegen die Einsamkeit an.

Dieser Ansicht kann ich mich nicht anschließen. Ich halte die Trennung der beiden Begriffe Alleinsein und Einsamkeit für sehr wichtig.

Der Zustand des Alleinsein heißt nichts anderes, als dass in diesem Augenblick kein anderer Mensch anwesend ist. Dieser Zustand kann als befreiend und stärkend oder als lähmend angesehen werden. Alleinsein kann eine Chance sein, sich selbst besser kennenzulernen und seine eigenen Kräfte zu erfahren.

Das Alleinsein kann es uns ermöglichen, uns absolut nach unseren eigenen Bedürfnissen zu entfalten. Perioden des Alleinseins können die fruchtbarsten unseres Leben sein, wenn wir sie einfach annehmen, um uns selbst zu erfahren. Alleinsein kann als Chance und als Strafe erlebt werden.

Von Einsamkeit sprechen wir dann, wenn wir das Alleinsein oder Zusammensein mit anderen als Ausgeschlossensein und Verlassensein erleben. Einsam sein bedeutet, sich seelisch von sich und anderen Menschen getrennt zu fühlen.

Einsamkeitsgefühle können vorübergehend auftretenoder Dauergast sein. Sie können auftreten,

  • obwohl Sie verheiratet sind,
  • obwohl Sie einen Beruf haben,
  • obwohl Sievon anderen gemocht werden,
  • obwohl Sie noch jung sind,
  • obwohl Sie Freunde haben,
  • obwohl Sie attraktiv sind,
  • obwohl Sie erfolgreich sind,
  • obwohl Sie Kinder haben,
  • obwohl Sie in der Stadt leben,
  • obwohl Sie auf dem Land leben,
  • obwohl Sie in einem Verein sind.

Sie können auftreten, wenn Sie pensioniert werden,

  • wenn Ihr Partner sich von Ihnen trennt,
  • wenn die Kinder in die Schule oder aus der Schule kommen,
  • wenn die Kinder ausziehen,
  • wenn Sie die Stelle verlieren,
  • wenn Sie krank sind,
  • wenn Sie in einer geselligen Runde zusammensitzen,
  • an Festtagen, an Wochenenden,
  • wenn der Partner stirbt,
  • auf Partys, im Theater, Kino etc .
  • im Urlaub, auf dem Bahnhof,
  • nachts.

Ich könnte die Aufzählung noch beliebig fortsetzen, aber ich erspare uns das. Sie könnten geradezu den Eindruck bekommen, gegen den Einsamkeitsbazillus sei man nirgendwo gefeit und dafür gebe es kein Heilmittel. Sie haben Recht. Ein dauerhaftes Heilmittel gibt es nicht – aber es gibt Möglichkeiten, unsere Abwehr zu stärken und besser damit umzugehen, wenn die Ein- samkeitsgefühle auftauchen.

Es gibt zwei denkbare Erklärungsansätze für Einsamkeit:

  1. Einsamkeit entsteht aufgrund äußerer Umstände und Situationen.
  2. Einsamkeit entsteht aufgrund bestimmter persönlicher Einstellungen.

Einige Menschen leben nur stundenweise von ihrem Partner getrennt und fühlen sich einsam. Andere leben Monate oder Jahre getrennt und verlieren ihre Sicherheit nicht.

Es gibt keine Regel, nach der wir sicher sagen können: „Du und du, ihr werdet euch in dieser Situation einsam fühlen.“ Die erste Erklärung, dass wir uns in bestimmten Situationen einfach einsam fühlen müssen, trifft also nicht zu.

Die äußeren Umstände können die Einsamkeit mit beeinflussen, aber nicht verursachen. Die Fähigkeit, Einsamkeit zu empfinden, besitzt jeder Mensch. Es gibt kaum einen Menschen, der sich nicht schon einmal in seinem Leben einsam gefühlt hat. 

Die drei Phasen der Einsamkeit

Phase I: Die momentane, vorübergehende Einsamkeit

Die Einsamkeitsgefühle dauern nur kurze Zeit und sind eine Reaktion auf äußere Umstände. So könnte der Umzug in eine andere Stadt, der Arbeitsplatzwechsel, der Eintritt ins Rentenalter oder auch ein Wochenende, ein Urlaub allein, ein Krankenhausaufenthalt, der Verlust eines Menschen durch Scheidung oder Tod zu kurzfristigen Einsamkeitsgefühlen führen.

Ausgelöst durch diese Ereignisse können wir von dem Kontakt mit anderen uns vertrauten Menschen abgeschnitten sein. Diese Phase der Einsamkeit ist nicht schädlich, sondern kann hilfreich sein, uns den neuen Umständen anzupassen. Sie deutet eine Veränderung in unserem Leben an, mit der wir uns erst arrangieren müssen. Sie motiviert uns zum Handeln.

Phase II: Der langsame Rückzug

Die Einsamkeit beginnt, sich zu manifestieren. Dies äußert sich im Verlust des Vertrauens in uns selbst und in andere. Wir verlieren langsam und schleichend die Fähigkeit, zu lächeln und Körperkontakt wie durch Händeschütteln und Umarmen aufzunehmen.

Wir verändern langsam unsere Art, zu sprechen und uns zu unterhalten. Dies hat zur Folge, dass wir für andere keine attraktiven Gesprächspartner mehr sind.

Phase III: Die chronische Einsamkeit

Die Einsamkeitsgefühle dauern Monate oder Jahre. Alle unsere Fähigkeiten, Kontakt aufzunehmen und aufrechtzuerhalten, für andere attraktiv zu sein, Anerkennung anzunehmen und zu geben, sind verschwunden. Wir verlernen, anderen etwas zu geben. Andere erkennen, dass sie mehr Probleme als Freude mit uns haben, und meiden uns.

So geraten wir in einen negativen Kreislauf. Wir können anderen weniger geben. Andere geben uns weniger und wir zweifeln noch mehr an uns usw. Unsere Fähigkeiten zu kommunizieren werden mangels Training immer weniger und wir fühlen uns immer mehr darin bestätigt, unwichtig und uninteressant zu sein.

Schließlich ziehen wir uns vollkommen zurück oder treiben andere durch unsere Aggressivität und unseren Sarkasmus von uns weg. Wir werden apathisch und unfähig zu fühlen. Nicht selten setzen Menschen in dieser Phase ihrem Leben ein Ende.

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