Vielen Menschen fällt es schwer, eine Entscheidung zu treffen und diese nicht in Frage zu stellen. In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky, wie wir mit der Kopf- und Bauch-Entscheidungsmatrix Unentschlossenheit überwinden können.
Entscheidungen zu treffen, kann in vielen Situationen stressig werden. Soll ich oder soll ich nicht? Catarina sagt dies, Dennis sagt jenes und meine Mutter meint noch etwas anderes. Was soll ich machen?
Sich zu entscheiden, fällt manchen Menschen leicht – andere tun sich damit echt schwer.
Wenn du vor einer Entscheidung stehst, geht es ja darum, aus mindestens zwei Alternativen zu wählen. Doch wie soll solch eine Wahl möglich sein? Aus dem Bauch heraus? Gründlich überlegt? Nach intensiver Befragung vieler anderer? Nach dem Zufallsprinzip? Nach welchen Kriterien entscheidest du, wenn du auf den Wurf einer Münze verzichtest?
Die wichtigste Dimension bei jeder Entscheidung ist sicher die Frage nach dem Ziel. Wenn du an eine Autobahnkreuzung kommst, ist die Entscheidung leicht: Möchtest du auf der A9 nach München oder nach Berlin fahren? Rechts oder links zu fahren ist einfach, wenn du weißt, wo du hin möchtest. Schwieriger wird es jedoch, wenn eine Entscheidung mehrere Dimensionen hat.
Stefan zum Beispiel sieht sich derzeit vor der Entscheidung, zwischen zwei möglichen neuen Jobs zu wählen. Ein Arbeitgeber würde ihm einen höheren Nettoverdienst anbieten. Die andere Stelle ist jedoch deutlich schneller zu erreichen; er würde sich jeden Arbeitstag eine Stunde Fahrt sparen. Der besser bezahlte neue Arbeitsbereich hätte aber auch den Vorteil, dass er inhaltlich interessanter wäre. Andererseits müsste er in Kauf nehmen, dass er dafür weniger direkten Kontakt zu Kundinnen und Kunden und anderen Mitarbeitenden hätte.
Meine Patientin Julia hat ausgesprochen, wie es viele empfinden:
„Ich komme mir manchmal vor wie ein Feldhase, der die Ackerfurchen rauf- und runterläuft. Bin ich am einen Ende des Feldes angelangt, denke ich: ‚Nee, die andere Seite ist doch besser‘ – und flitze ich dann innerlich zur anderen Seite, fällt mir wieder ein Aspekt ein, der doch die erste Seite besser erscheinen lässt. Dort wieder angekommen und fest entschlossen, es nun endgültig zu entscheiden, blitzt dann garantiert noch ein Gedanke auf, der die andere Seite günstiger erscheinen lässt … Entscheidungen stressen mich und ich bin jedes Mal völlig erschöpft, bis ich mich entschieden habe, und bin dann nicht einmal sicher, ob nicht die andere Option besser gewesen wäre.“
Erstaunt schaut mich Julia an, als ich ihr erkläre: „Egal, für welche Seite du dich entscheidest – du verlierst immer!“
To choose is to lose. - Wer wählt, verliert.
Denn wofür auch immer du dich entscheidest, du verlierst die Vorteile, die in der anderen Wahl gelegen hätten. Es geht also darum, Gefühl und Verstand in Einklang zu bringen, um in voller Bewusstheit des Verlustes dich dann an den Vorteilen deiner Wahl erfreuen zu können.
Um Gefühl und Verstand gleichermaßen zum Einsatz zu bringen, empfehle ich alle Kanäle der Entscheidungsfindung miteinzuschließen: Herz und Verstand, sprich: Bauch und Kopf, eigene Überlegungen, Sachinformationen aus äußeren Quellen und auch Meinungen anderer.
Bei deiner nächsten wichtigen Entscheidung kannst du, wenn du möchtest, diese Entscheidungsmatrix ausprobieren, um dich von ihrer Effektivität zu überzeugen. Egal, worauf sich die Entscheidung bezieht: diese Wohnung oder die andere, welchen Ausbildungs- oder Studiengang aus zwei möglichen, diese Arbeitsstelle oder die andere, im Urlaub ans Meer oder in die Berge, am Wochenende auf dieses oder auf jenes Event gehen oder eine bewusste Zeit der Stille und des Selbstrückbezugs wählen oder, oder, oder.
Je enger die Werte zusammenliegen, desto mehr wird deutlich, weshalb dir die Entscheidung so schwerfällt. Jetzt jedoch hast du eine Basis für deine Entscheidung geschaffen. Du weißt, welche Option punktemäßig vorne liegt und du weißt auch, welche Pluspunkte die andere Option hätte, auf die du mit deiner Entscheidung verzichtest.
Selbst wenn du vor einer Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten stehst und innerlich nicht so recht weißt, was du wirklich möchtest, kannst du dir auf diese Weise Klarheit verschaffen. Soll der nächste Urlaub ans Meer oder ins Gebirge gehen oder möchtest du die freie Zeit nutzen, um endlich einmal ausgiebig „home, sweet home“ zu genießen oder doch lieber deine beste Freundin in Wuppertal mit deinem Besuch zu beglücken? Für jede Wahlmöglichkeit spricht in dir so vieles – aber natürlich auch dagegen …
Wenn du den Aufwand nicht scheust, kann dir auch bei besonders vielschichtigen Entscheidungen diese Kopf- und Bauch-Entscheidungsmatrix helfen. Erstelle für jede Wahlmöglichkeit eine Dafür- und Dagegen-Liste. Gib jedem Argument das Gewicht zwischen 10 und 100, was dein Herz und dein Bauch dazu empfinden. Wenn du von der Punktzahl, die sich insgesamt aus allen Dafür-Argumenten ergibt, den Wert abziehst, der sich aus allen Dagegen-Argumenten ergibt, dann hast du das „Anziehungsgewicht“, das in dir für diesen Vorschlag spricht.
Spielst du das gleiche Spiel nun für alle anderen Möglichkeiten durch, erkennst du am Ende, welche Entscheidung in dir das größte positive Gewicht hat.
Nachdem Julia bei mir gelernt hatte, die Listen-Methode anzuwenden, berichtete sie in ihrem Therapieabschlussgespräch folgendes:
„Die Kopf-Bauch-Entscheidungsmatrix hilft mir sehr dabei, Entscheidungen zu fällen, bei denen Herz und Verstand, äußere Informationen und innere Überlegungen zu genau den Entscheidungen führen, die zu mir passen und mich weiterbringen. Ich sehe dann klar, welche Waagschale in mir die gewichtigeren Argumente enthält.“
Meiner Erfahrung nach passiert mitunter dabei aber auch mal etwas Paradoxes: Wenn die Entscheidung ganz klar ist: „Ja, so hat alles in mir entschieden, jetzt gilt es nur noch diese Entscheidung in die Tat umzusetzen …“, dann kommt es vor, dass sich eine starke, in allen meinen Zellen spürbare Empfindung zu Wort meldet: „Aber genau das will ich nicht. Ich will jenes!“ Wenn ich dann dieser Stimme folge, die nach dem vorangegangenen Klärungsprozess so unvermittelt und eindeutig aus meinem Innersten auftaucht, habe ich es hinterher noch nie bereut.
Lass dich von diesen Hinweisen inspirieren und experimentiere mit deiner für dich stimmigsten Art und Weise, Entscheidungen zu treffen.
Gute Entscheidungen, die zu dir passen und dich weiterbringen auf deinem Weg zu mehr Lebensfreude, wünscht dir
Dein
Gert Kowarowsky
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