Erinnerungen helfen dir, dich in deiner Ganzheit zu erleben – #152

In diesem Beitrag aus der Reihe "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky, welche Bedeutung positive wie negative Erinnerungen für uns haben und dass wir nur in der Akzeptanz beider uns als Ganzes erkennen können.

Erinnerungen helfen dir, dich in deiner Ganzheit zu erleben – #152
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

Die ursprüngliche Bedeutung von "sich erinnern" lautet: "etwas in das Innere holen". Wenn du dich erinnerst, gibst du somit deinem Inneren etwas zurück, bringst es wieder dahin, wo es hingehört. Wenn du dich erinnerst, vergegenwärtigst du etwas, bringst Vergangenes in die hier und jetzt erlebte Gegenwart. Emotional bedeutsame Ereignisse holst du dir damit nicht nur wieder zurück ins Bewusstsein, sondern auch zurück in dein Herz.

Erinnerungen haben eine tiefe innere Bedeutung für uns

Während dein Gedächtnis eher technisch, gedanklich verarbeitend ist, sich etwas merkt oder emotionslos abspeichert, geschieht beim Erinnern etwas Tieferes. Wenn du sagst: "Ah, ja – ich erinnere mich!", geht es selten um Fakten, sondern meistens um etwas, das für dich innerlich Bedeutung hat. 

Deine Erinnerungen sind nicht nur Bilder oder Filme vergangener Tage. Sie sind Bewegungen des Inneren – Spuren von Begegnungen, Verlusten, Entfaltungen und Wandlungen, die sich in deinen Erinnerungsarchiven befinden. Indem du dich erinnerst, holst du dir etwas in dein Inneres, in dein Herz zurück. Du erlaubst dem Erinnerten, wieder Gestalt anzunehmen, sodass es in dir erneut lebendig wird.

Schöne Erinnerungen sind tröstlich, doch auch negative haben ihren Sinn

Vergangene Freuden speichert dein Körper nicht nur als Bilder oder Filme ab. Er speichert sie auch als tiefe Bewegungsmuster, Atemmuster und als psycho-physiologische Funktionsmuster vielfältiger Organe und Organsysteme. Indem du dich an die vergangenen Freuden erinnerst, werden sie im Hier und Jetzt für dich wieder fühlbar und erlebbar.

Schöne Erinnerungen wachzurufen, kann etwas sehr Tröstendes sein. Dennoch zeigt sich in vielen Therapien, wenn wir dabei sind, freudvolle Erinnerungen zu aktivieren, dass aus der Vergangenheit ebenfalls Dunkles erneut leidvoll aktiviert werden kann.

Nimm auch schmerzvolle Erinnerungen an und unterdrücke sie nicht

Auch schmerzvolle Erfahrungen speichert dein Körper auf vielfältige Weise. Sie hinterlassen Spuren, die dir zeigen, was dich verwundet hat, was du zu schützen versucht hast. Schmerzvolle Erinnerungen sind jedoch nicht gegen dich gerichtet. Indem du sie zulässt, können sie dir zeigen, wo du einst empfindsam warst und vielleicht immer noch bist. Sie zu unterdrücken bedeutet, einen Teil deiner eigenen Geschichte zu verdrängen.

Jede geleugnete Wunde bleibt ein Raum, in dem du dich selbst verlassen hast. Es sind die Felsbrocken in dir, an denen sich die Wellen deiner Lebensfreude immer wieder brechen oder sich erst gar nicht in ihrer ganzen Fülle erheben können.

Leidvolle Erinnerungen anzunehmen, heißt nicht, etwas zu beschönigen. Es bedeutet, dich selbst nicht mehr zu verlassen, auch wenn es wehtut. Erinnerungen dürfen wehtun. Nicht weil Leid einen Wert hätte, sondern weil die Wahrheit dessen, was du erlebt hast, einen Wert hat.

Positive wie negative Erinnerungen machen dich zu der Person, die du bist

In diesem Sinn ist Erinnerung kein Blick zurück, sondern ein Blick nach innen. Ohne Annahme des leidvoll Erlebten werden Erinnerungen zu Schatten; mit Annahme werden sie zu Wurzeln. Je mehr du dir erlaubst, dich an alles zu erinnern, was dir auf deinem Lebensweg bisher begegnet ist, je mehr du dir deine eigene Lebensgeschichte zugestehst, desto tiefer und freier lebst du hier und jetzt in deiner Gegenwart. Erinnerung darf mit all ihren Aspekten immer eine stille Zustimmung dazu sein, dass du gelebt hast mit allem, was du dabei gefühlt hast.

Erst wenn du beides zuzulassen bereit bist, die Wellen der erinnerten Freuden wie auch die schmerzlichen Erinnerungen, erkennst du dich als Ganzes.

Dann entsteht ein tiefes Ja zu dir, eine Versöhnung mit dir, die nicht das Vergessen verlangt, sondern die Gegenwärtigkeit. Die Bereitschaft mit dem zu sein, was hier und jetzt ist. Erlaube dir zensurfreies Erinnern, um mit hellerem Auge das Hier und Jetzt sehen und erleben zu können.

Dein Gert Kowarowsky

Erfahrungen aus der Praxis ...

… ist die psychotherapeutische Kolumne mit Inspirationen für deine Lebensgestaltung und den Umgang mit schwierigen Lebensthemen. Du findest alle Teile der Kolumne und mehr über den Autor Gert Kowarowsky hier.

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Inhalt des Beitrags 
 Erinnerungen haben eine tiefe innere Bedeutung für uns
 Schöne Erinnerungen sind tröstlich, doch auch negative haben ihren Sinn
 Nimm auch schmerzvolle Erinnerungen an und unterdrücke sie nicht
 Positive wie negative Erinnerungen machen dich zu der Person, die du bist
 Erfahrungen aus der Praxis ...
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 Folge 2: Haltung
 Folge 3: Achtgeben auf seinen Körper