Wertvolle Erklärungen und Hilfestellungen wie wir lernen können, mit Abschieden und Veränderungen positiv umzugehen und neue Wege in die Zukunft zu finden.
Kleine und große Abschiede begleiten unser Leben. Denn Leben heißt stete Wandlung und Veränderung, Loslassen und Neues beginnen. Doch oft haben wir Angst vor dem Verlust und spüren Schmerz, Verzweiflung und Wut, wenn wir von liebgewonnenen Menschen oder Gewohnheiten Abschied nehmen müssen. Erfahren Sie, wie es dennoch gelingen kann, den Verlust zu akzeptieren, die Trauer zu überwinden und einem Neuanfang positiv entgegenzublicken.
"Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben."
Abschied und Neubeginn – kaum ein Dichter hat das Thema schöner beschrieben als Hermann Hesse in seinem bekannten Gedicht "Stufen". Das Leben besteht aus permanenter Veränderung, ein Moment wird vom nächsten abgelöst, bei jedem Ausatmen lassen wir los und sind bereit, beim nächsten Einatmen wieder neu zu beginnen. Ganz automatisch, ohne Nachzudenken. Stillstand würde unseren Tod bedeuten. Doch Abschiednehmen von Beziehungen, von unseren Zielen oder Gewohnheiten ist nicht so einfach. In den seltensten Fällen passiert das vollkommen reibungslos, im Gegenteil, je emotional tiefer uns ein Verlust trifft, desto stärker sind wir gefangen in Wut, Schmerz und Verzweiflung und trauern um ihn. Trennungen und Abschiede gleichen einem "psychischen Erdbeben", wie es der amerikanische Evolutionsbiologe Eric Klinger bezeichnet. Im Gegensatz zu Hesses Gedicht ist Trauer aber ein wichtiger Abschnitt bei der Bewältigung der Krise. Wenn wir die Trauer zulassen, an ihr arbeiten, werden wir nach einiger Zeit auch wieder offen für die Zukunft, für neue Perspektiven, die wir anfangs gar nicht wahrnehmen konnten.
Oft sind Abschiede und damit einhergehende psychische Krisen mit Umbruchphasen im Leben verknüpft. Beim Übergang in einen neuen Lebensabschnitt ruckelt es oft, das ist ganz normal und Bestandteil jeder menschlichen Persönlichkeitsentwicklung. Diese Ereignisse können wir nicht komplett vermeiden, aber wir können lernen, negative Vorzeichen einer riskanten Entwicklung zu erkennen und mit ihnen umzugehen, so dass aus der Krise keine unüberwindliche Tragödie wird, sondern wir schlussendlich die Chancen der Krise für unsere Zukunft erkennen. Zahlreiche Herausforderungen prägen unser Leben und machen Abschiede und Veränderungen nötig:
Gerade in der Corona-Pandemie sind Abschiede an der Tagesordnung. Wir müssen mit vielen Abschieden zurechtkommen, auf die wir selbst keinen Einfluss haben: kein wöchentlicher Stammtisch mit den Freunden, kein Volleyballtraining, keine regelmäßigen Besuche des Vaters im Seniorenheim, keine Essenseinladungen, keine Partys, keine Konzert- und Theaterbesuche. Unsere Gewohnheiten haben sich durch Corona zwangsläufig stark verändert. Und wir müssen alle einen Weg finden, mit den Veränderungen umzugehen und uns neu zu erfinden. Keine leichte Aufgabe oft, aber dennoch haben wir die Perspektive, dass es sich nur um Abschiede auf Zeit handelt, dass wir nach einer gewissen Zeitspanne wieder mehr Kontakte haben und alte Beziehungen wiederaufleben lassen können. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass sich auch nach einem temporären Abschied die Situation verändert hat und nicht mehr alles beim Alten sein wird. Die gute Freundin hat nun vielleicht neue berufliche Ziele entwickelt, in denen nicht mehr so viel Raum für ausgedehnte Treffen ist wie früher. Dennoch kann die Freundschaft weiterhin Bestand haben. Es ist nur wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass sich die Umstände geändert haben und sollten nicht zu große Erwartungen aufbauen.
Studien belegen, dass sich rund 80 Prozent der Menschen in ihrer gewohnten Routine wohler fühlen als bei Veränderung und Neubeginn. Nur jeder Fünfte ist getrieben von der Suche nach immer neuen Abenteuern, Reizen und Veränderungen. Den meisten von uns kosten aber schon geplante Veränderungen wie ein Umzug oder ein Jobwechsel viel Kraft und Energie, bei unvorhergesehenen Umwälzungen wie einer Trennung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes fallen viele von uns in eine psychische Krise.
Aber Abschiede und das damit verbundene Loslassen des Gewohnten können wir erlernen. Das ist ein lebenslanger Prozess, der schon in der frühen Kindheit beginnt. Bindungssicherheit ist das Stichwort, das die Weichen stellt für unsere spätere Fähigkeit mit dem Abschiednehmen umzugehen. Je geborgener und sicherer sich ein Kind bei seinen Eltern oder engen Bezugspersonen fühlt, desto leichter wird es ihm als erwachsenem Menschen auch fallen, soziale Beziehungen einzugehen und diese auch aufzulösen, wenn es nötig ist, ohne sich ins Bodenlose zu verlieren. Wer als Kind Sicherheit und Halt erfährt, kann sein Leben lang auf diese positiven Erfahrungen zurückgreifen. Die negativen und schmerzhaften Gefühle, die mit jedem Abschied verbunden sind, werden von diesen Menschen leichter wahrgenommen, akzeptiert und reguliert, so dass schlussendlich ein positiver Umgang mit der Krise gefunden werden kann.
Unser Bindungsstil ist jedoch nicht statisch, er verändert sich im Laufe des Lebens und ist auch abhängig von unseren Erfahrungen in einzelnen Lebensbereichen. Wer etwa im Bereich der Partnerschaft schmerzhafte Erfahrungen und Zurückweisung erlebt hat, wird sich mit Trennungen weiterhin schwertun. Die Folgen sind (oft auch unbewusste) Vermeidungsstrategien, so dass wir gar keine Partnerschaft mehr eingehen, oder übermäßig klammern und zu lange in einer Beziehung verharren, die uns nicht guttut. Wer viel investiert hat, zögert das Ende gerne hinaus. Nicht oder zu spät loszulassen, sei es von schlechten Beziehungen als auch von zu hohen oder nicht mehr passenden Zielen, blockiert uns und kann unserem Selbstwertgefühl stark zusetzen. Wir werden besonders anfällig für Selbstvorwürfe und diffuse Grübeleien, sehen keine Alternativen und Lösungen mehr und bleiben in einer pessimistischen Haltung, die uns Selbstvertrauen und Lebensoptimismus rauben.
Abschiednehmen und Loslassen ist also zumindest bis zu einem gewissen Grad erlernbar. Zunächst kann es helfen, den Prozess des Abschiednehmens besser zu verstehen. Hier ist das Modell der vier Phasen der Trauer, das ursprünglich für die Trauerarbeit nach dem Tod eines nahestehenden Menschen entwickelt wurde, hilfreich, denn wir durchleben bei jeder Form des Abschieds die vier Phasen, auch wenn Dauer und Rückschritte in frühere Phasen variieren.
1. Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen (Schock und Verleugnung)
In der ersten Phase des Abschieds sind wir geschockt. Wir haben die schlechte Nachricht erfahren, können sie aber noch nicht emotional nachvollziehen. Wir sind wie in Trance, fühlen uns ohnmächtig und wollen das Geschehene nicht wahrhaben. Wir reagieren mit Sätzen wie: „Ich kann es nicht glauben, dass er mich verlassen hat. Das kann doch nicht sein, er wird zu mir zurückkommen.“ Oder: „Mein Chef hat mich betriebsbedingt gekündigt. Das war bestimmt ein Versehen, ich war gar nicht gemeint, Kollege x arbeitet doch viel weniger als ich.“ Diese Phase kann von wenigen Stunden bis zu Tagen und Wochen dauern.
2. Phase:Aufbrechende Gefühle
Diese Phase ist geprägt von Hoffnungslosigkeit und tiefem Schmerz. Wir haben das Gefühl, nie mehr glücklich sein zu können. Gefühlsausbrüche und -schwankungen sind typisch. Wir sind hin- und hergerissen zwischen Wut, Verzweiflung, Einsamkeit und Schuldgefühlen. Wir hadern mit unserer Situation: „Warum hat es gerade mich getroffen?“ Unser Körper rebelliert. Wir leiden oft an Appetitmangel oder Essattacken, an Schlafstörungen oder Ruhelosigkeit, an Konzentrationsstörungen oder Erschöpfung. Die Symptomatik dieser schwierigsten Phase ähnelt der einer Depression. Und sie braucht ihre Zeit – manchmal Wochen, Monate, bei sehr tiefen Verlusten, wie dem Tod des Partners, manchmal aber auch mehrere Jahre.
3. Phase:Langsame Neuorientierung
Wir kehren langsam wieder in den Alltag zurück. Auch wenn Stimmungsschwankungen immer noch vorkommen, können wir unseren Blick wieder auf die Außenwelt lenken, aktiver werden und sogar manchmal kleine Momente der Freude empfinden. Der Schmerz lässt langsam nach und wir sind bereit, positive wie negative Erinnerungen an die verlorene Beziehung zuzulassen. Unser Selbstwertgefühl wird langsam wieder stärker.
4. Phase: Neues inneres Gleichgewicht
In der letzten Phase des Abschiedsprozesses erlangen wir unsere seelische und körperliche Balance wieder. Wir sind uns bewusst, dass die Erinnerungen an die verlorene Person bleiben und wir so emotional eine Verbindung halten. Wir akzeptieren den Verlust und wenden unsere Energie auf die Gestaltung der Zukunft. Wir spüren wieder Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen und können auf unsere Fähigkeiten zählen.
Die Verarbeitung eines Abschieds und die Akzeptanz der Veränderung brauchen vor allem Zeit. Und die ist ganz individuell. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Hören Sie in sich hinein, achten Sie auf Ihre Bedürfnisse und bleiben Sie ganz bei sich. Behalten Sie, was Ihnen hilft, und lassen Sie los, was Ihnen nicht guttut. Dann werden Sie zu Ihrer Zeit auch neue Seiten an sich entdecken, die Sie stark machen für Ihr zukünftiges Leben.
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Habe eben Artikel über "Abschied"- nehmen gelesen. Tat mir gut.... weiss noch nicht so recht, wie ich damit umgehen soll, dass ich mich nicht in meiner Trauer um unsere Mutter respektiert fühle... Mein kleinerer Bruder (wir sind 4 Geschwister... alle längst "er-wachsen".... also mein einer Bruder, mit dem ich eigentlich immer gut auskam, hat mich massiv angefriffen, weil ich um Aufschub für Hausräumung gebeten habe....) meine Mutter ist kaum unter der Erde..... für mich ist es wichtig nochmals von den Möbeln und Gegenständen mit denen so viele Emotionen verbunden sind, Abschied zu nehmen....
Sie schreiben ja, dass es verschiedene Stufen des Trauerns gibt? und auch, dass jede/r anders Abschied nimmt.... vielleicht könnte ich auch noch mehr aktzeptieren, dass mein Bruder im Moment auf seine Art am "Durchdrehen" ist....
Ich probiere jetzt mal ruhig zu bleiben und nicht sofort darauf zu reagieren.... aber ich stehe jetzt auch mehr zu mir und gehe jetzt einfach einige male noch alleine durch das Haus um Abschied zu nehmen..... Oder habt ihr auch noch eine Idee....
Danke jedenfalls für den Artikel
Grüsse an alle Rahel
Danke
Danke, ich bin am Ende der Brücke angekommen.
Danke,
ihre Kompetenz macht Mut.