Informationen für Angehörige die einen Partner haben der unter einer Angst- und Panikstörung leidet.
Wenn Ihr Partner unter Ängsten leidet, dann sind Sie wahrscheinlich auch davon betroffen. Es ist vielleicht sehr schmerzlich für Sie, mit ansehen zu müssen, wie Ihr Partner sich immer mehr zurückzieht und wie seine Leistungsfähigkeit immer mehr abnimmt. Ihre gemeinsamen Interessen und Hobbys werden nicht mehr verfolgt, der Kontakt zu Freunden vielleicht nicht mehr gepflegt.
Vielleicht haben Sie Existenzangst, dass Ihr Partner seine Anstellung wegen seiner Ängste verliert. Vielleicht hat Ihr Partner in seiner Not auch begonnen, zu trinken oder eine Tablettenabhängigkeit entwickelt, und Sie leiden unter seiner Sucht.
Sie wollen ihm helfen, schwanken dabei möglicherweise zwischen vielen wechselnden Gefühlen und Reaktionsmustern
Sie setzen all Ihre Überzeugungskraft ein und reden beruhigend auf Ihren Partner ein, wann immer er Angst verspürt. Sie wollen helfen, damit Ihr Partner möglichst schnell seine Angst überwindet. Deshalb geben Sie ihm Ratschläge, was er noch tun kann, informieren sich umfassend über seine Erkrankung und bieten ihm Unterstützung an. Sie sind verständnisvoll und nehmen Rücksicht auf ihn, leben schließlich selbst das Leben eines Angstkranken.
Sie fühlen sich bedrückt, belastet oder verzweifelt, weil es Ihrem Partner schlecht geht. Sie versuchen stark zu sein und keine eigenen Probleme zu bekommen oder auf den Tisch zu bringen. Sie sind mit Ihrem Partner zusammen ständig auf der Hut, wann der nächste Angstanfall kommen könnte und wie man ihn verhindern könnte.
Sie werden zum Experten, besuchen Foren und sprechen mit Ärzten, vernachlässigen dabei Ihre Bedürfnisse. Sie quälen sich mit Fragen, was Sie Ihrem Partner zumuten können oder sollen, auf welche Aktivitäten Sie bestehen sollen, usw. Sie haben Schuldgefühle, etwas falsch gemacht zu haben und für die Angsterkrankung Ihres Partners verantwortlich zu sein.
Sie sind kraft-, mut- und hilflos, weil keine Besserung feststellbar ist und Sie nicht wissen, wie es weitergehen soll. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und schikaniert, wenn Ihr Partner Ihnen Vorwürfe macht, statt dankbar zu sein. Sie werden ärgerlich, weil sich alles nur noch um Ihren Partner dreht.
Sie sehen sich als Elternteil, welches sein Kind immer wieder ermutigt und zu seinem Glück zwingt. Sie fühlen sich ausgenutzt, weil Ihr Partner mal Ihre Hilfe fordert, mal zurückweist. Sie fühlen sich mit Ihren Sorgen nicht verstanden, müssen nun immer stark sein, während ihm die Rolle des Hilfsbedürftigen zufällt. Sie fühlen sich in Frage gestellt und werden wütend, weil Ihr Partner Ihre gut gemeinten Ratschläge nicht annimmt und sich nichts bessert.
Als Folge davon, lassen Sie in Ihrem Einsatz nach. Dann machen Sie sich Schuldgefühle, ihn hängen zu lassen. Sie fühlen sich zu kurz gekommen, weil Ihre Wünsche in der Partnerschaft zu kurz kommen. Sie haben selbst Angst, wie alles weitergehen soll. Sie sind enttäuscht, dass das jetzt alles vom Glück gewesen sein soll, was Sie in der Partnerschaft bekommen können. Sie zweifeln an Ihrer Liebe und der Partnerschaft.
Haben Sie sich in einigen der Gefühls- und Reaktionsmuster wieder erkannt? Verurteilen Sie sich manchmal für derartige Gedankengänge und Gefühle? All diese Gedanken und Gefühle sind verständlich und normal.
Wenn Sie einen angstkranken Partner über längere Zeit begleiten, dann zehrt dies an Ihren Kräften. Sie sind kein Therapeut sondern ein Mensch mit eigenen Bedürfnissen. Auch wenn Sie Ihren Partner lieben, dürfen Sie ab und zu enttäuscht oder ärgerlich auf ihn sein.
Damit Sie die Kraft und Geduld Ihrem Partner gegenüber auch weiterhin aufbringen können, ist es wichtig, dass Sie Ihre Batterien immer wieder auffüllen und gut für sich sorgen.
Was Sie für sich tun können:
Wenn Sie dazu neigen, zu sehr Anteil zu nehmen, sich verantwortlich fühlen und sich zu sehr zu verausgaben, sollten Sie auch an eine Psychotherapie für sich denken.
Wenn Sie einen Partner mit einer Angsterkrankung haben, dann haben Sie vermutlich schon vieles ausprobiert, um ihm zu helfen, z. B. gut zuzureden, zu drohen, alleine etwas zu unternehmen, eine Belohnung zu versprechen, usw. Vielleicht sind Sie unsicher, was gut für ihn wäre bzw. schlecht für ihn ist. Informieren Sie sich, wie Angst entsteht und wie Ihr Partner sie überwinden kann. Schauen Sie sich hierzu die Beiträge oder Videos und gegebenenfalls auch die PDF-Selbsthilfe-Informationen an, die sich mit der Angsterkrankung Ihres Partners befassen.
D.h. machen Sie sich nicht lustig über ihn oder seine Angst. Auch Sätze wie: "Stell dich nicht so an. Du brauchst doch keine Angst haben. Ich habe doch auch keine." oder "So schlimm kann es nicht sein.", helfen ihm nicht. Vermitteln Sie Ihrem Partner, dass Sie auf jeden Fall wollen, dass er seine Angst überwindet.
Wenn dieser Schritt zu groß ist, bauen Sie schrittweise Ihre Unterstützung ab. Erinnern Sie Ihren Partner in Angst auslösenden Situationen an die Bewältigungsstrategien wie z.B. die langsame Atmung und positive Selbstinstruktionen.
Bestärken Sie ihn immer wieder, mit der Angst in Situationen zu gehen. Ermutigen Sie Ihren Partner, in Situationen zu bleiben, bis die Angst abgeklungen ist. Erinnern Sie ihm immer wieder daran, dass die Angst mit Übung abnehmen wird.
Sonst besteht das Risiko, dass er von seiner Angst überflutet und diese noch verstärkt wird. Ermutigen Sie ihn, wenn ihm eine Situation zu schwierig erscheint, stattdessen in eine leichtere zu gehen, statt ganz auf die Übung zu verzichten. Motivieren Sie ihn, leichten Sport zu treiben. Durch die körperliche Betätigung wird sein Körper wieder belastbarer. Das ist wichtig.
Bestärken Sie ihn nicht darin, immer wieder neue medizinische Untersuchungen durchführen zu lassen, wenn sich hinter seinen körperlichen Beschwerden eine Angsterkrankung verbirgt. Ermutigen Sie Ihren Partner zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe oder der Beteiligung in einem Forum. Raten Sie ihm eindringlich zu einer Therapie, wenn er sich nicht alleine aus seinem Gefängnis der Angst befreien kann.
Generell sollten Sie immer bedenken: Eine Hilfe, die die Unselbständigkeit Ihres Partners fördert und verstärkt, ist keine Hilfe - auch wenn es Ihrem Partner durch Ihre Hilfe vielleicht kurzfristig besser geht, weil er nicht mit seinen Ängsten in Berührung kommt. Langfristig schaden Sie ihm durch eine wohlgemeinte, aber zu schonende Haltung, da sich seine Angst immer mehr verstärken und festigen wird. Nehmen Sie Ihrem Partner also keine Aufgaben ab, vor denen er Angst hat oder bei denen es ihm mulmig ist, die er aber dennoch selbst erledigen könnte. Eine zu große Fürsorge ist bei der Angstbewältigung nicht förderlich. Im Gegenteil: die gut gemeinte Hilfe kann sich zum Schaden Ihres Partners verkehren.
Was der Betroffene denken könnte: „Ich reiß mich doch schon zusammen. Wenn nicht, würde ich jetzt laut schreiend umherlaufen oder panisch davonlaufen. Er sollte mal in meiner Lage sein, dann wüsste er, dass es mit Zusammenreißen nicht getan ist.“
Was der Betroffene denken könnte: „Der hat gut reden. Wenn ich ruhig bleiben könnte, würde ich es tun. Ich habe Angst, dass mit mir was Schlimmes passiert. Da kann man nicht ruhig bleiben.“
Was der Betroffene denken könnte: „Von wegen. Es ist in meinem ganzen Körper. Und wenn, hilft es mir auch nicht, zu wissen, dass es in meinem Kopf ist. Ich will, dass meine Panik endlich aufhört.“
Was der Betroffene denken könnte: „Vielleicht wird es wieder - aber jetzt sofort möchte ich, dass die Panik und meine körperlichen Beschwerden nachlassen.“
Was der Betroffene denken könnte: „Woher will der das wissen. Er ist kein Arzt. So schlimm war es noch nie. Bestimmt habe ich etwas Schlimmes.“
Was der Betroffene denken könnte: „Klugscheißer. Wie soll man in einer solchen Situation positiv denken! Es geht um Leben und Tod!“
Was der Betroffene denken könnte: „Ich möchte ihn mal in meiner Lage sehen. Da würde es ihm auch nicht besser gehen.“
Was der Betroffene denken könnte: „Das nützt mir nichts, wenn du keine Angst hast. Ich habe Angst!“
Was der Betroffene denken könnte: „Woher willst du das wissen. Für mich ist es furchtbar schlimm!“
Ziel ist es, uns dabei zu helfen, wieder in ein seelisches und körperliches Gleichgewicht zu kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich unsere Gedanken und unsere Körperreaktionen ändern. Folgende Reaktionen unseres Umfeldes können hilfreich sein:
„Du hast eine Panikattacke. Erinnere dich daran, dass sie bisher immer vorüber gegangen ist. Ich bin bei dir und warte mit dir, bis sie vorüber ist.“
„Atme mit mir in dem Rhythmus <tief einatmen, ausatmen, den Atem anhalten und von 1 bis 10 zählen>. Das Ganze solange wiederholen, bis die Beruhigung eintritt.
„Geh deinen Muskeln von Kopf bis Fuß durch und entspanne sie ganz bewusst.“
„Wie kann ich dir helfen?“
Beispielsweise indem ein starker Sinnesreiz angeboten wird wie etwa an einem Parfümflacon riechen oder etwas Kaltes in die Hand legen.
Beispielsweise gemeinsam schnell umherlaufen.
So signalisiert man, dass man da ist.
Indem man etwas erzählt, was die Aufmerksamkeit fesselt, eine Denk- oder Rechenaufgabe stellt oder etwas Humorvolles erzählt.
„Beschreib mir, was in deinem Körper abläuft. Erzähl mir von deinen Gedanken.“
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Und wie soll der Angehörige sich eine Auszeit nehmen, wenn der erkrankte Angehörige einem verbietet, das Haus zu verlassen, man könnte ja verunglücken, entführt, angegriffen etc. werden? Das einzige, was mir meine Mutter erlaubt, ist, still auf einem Stuhl zu sitzen und sich ihre Horrorphantasien anzuhören. Nicht mal in Urlaub fahren oder nach Einbruch der Dunkelheit einkaufen darf ich, höchstens heimlich, aber dann muss ich ne Rufumleitung schalten.
Ihre Auflistung und Beschreibung der Symptome bzw. der Verhaltensweisen und Gefühle (denen des Betroffenen und denen des Partners!!) sehr gut und sehr treffend.
Bei den Vorschlägen und Ideen, wie dem angsterkrankten Partner zu helfen ist, fehlt mir der Aspekt der Erschöpfung und "Abnutzung" des Partners-der durchaus helfen will, der begleitet und beruhigt und "mitatmet", immer wieder, über viele Jahre, und nur allzu häufig mitten in der Nacht!
Irgendwann kann man nicht mehr und man will auch nicht mehr!
Das Leben mit einem derart erkrankten Menschen gleicht einer Achterbahnfahrt! Das schafft niemand auf Dauer! Und dann?
Der vorherige Kommentar trifft es sehr gut: was macht man als Angehöriger, wenn man es nicht mehr aushält, dass jede Stunde im Jahr geprägt ist von Stress durch die Angststörung des Angehörigen? Wenn man jegliche Kraft aufgebraucht hat? Wenn Therapien nicht weiter helfen? Wie soll es weiter gehen?