Was bei Angst im Körper passiert

Wie zeigt sich Angst im Körper? Wie entsteht Angst im Körper? Wir erklären sich die körperlichen Symptome bei einem Panikanfall? In diesem Beitrag erhalten Sie wichtiges Basiswissen um die psychosomatischen Auswirkungen von Angst- und Panikanfällen.

Was bei Angst im Körper passiert
© Mat Reding, unsplash.com

So schlägt sich die Angst im Körper nieder

Viele Menschen wissen nicht, dass sich die Angst nicht nur in ihren Gefühlen, sondern auch in ihrem Körper äußert. Deshalb werden sie durch ihre körperlichen Symptome, die bei Angst auftreten, verunsichert. Im Falle der Panik lösen Betroffene die Panik erst aus oder steigern sie noch, indem sie die körperlichen Beschwerden falsch bewerten - nämlich als Hinweis auf eine ernste körperliche Erkrankung oder gar den herannahenden Tod.

Ich möchte Ihnen deshalb im Folgenden ausführlich beschreiben,

  • wie Angst in unserem Körper entsteht.
  • was bei Angst im Körper passiert.
  • welche biologischen Reaktionsmuster es bei seelischer und körperlicher Belastung gibt.
  • wie sich die verschiedenen körperlichen Symptome, die einen Panikanfall begleiten, erklären lassen.
  • was in der Schockphase in Ihrem Körper passiert.
  • was in der Kampf-/Flucht-Phase in Ihrem Körper passiert.
  • was bei der Rückkehr zum Entspannungszustand in Ihrem Körper passiert.

Wenn Sie wissen, wie sich die Angst in Ihrem Körper äußert, dann werden Sie gefasster auf Ihre körperlichen Beschwerden reagieren können. Sie können dann die Strategien einsetzen, die Sie benötigen, um sich wieder zu beruhigen.

Wie entsteht Angst im Körper?

Angst entsteht in unserem Körper nach einem ganz bestimmten Schema. Zunächst einmal nehmen unsere Sinnesorgane etwas wahr. Wir hören, sehen, spüren, riechen oder schmecken etwas. Diese Wahrnehmung wird an das Gehirn weitergeleitet. Die Großhirnrinde interpretiert die Reize aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit.

Im Falle der Angst interpretiert unser Gehirn die Wahrnehmung als (lebens)gefährlich. Von dort gelangt die Meldung dann an das limbische System, das für unsere Gefühle zuständig ist. Spezielle Bereiche des limbischen Systems, der Hippocampus und die Amygdala, auch als Mandelkern bezeichnet, veranlassen dann den Hypothalamus, die entsprechenden körperlichen Reaktionen auszulösen. Der Hypothalamus bewirkt über Nervenbahnen in Nebennierenmark die Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol und Kortison.

Das Sympathische und Parasympathische Nervensystem werden aktiviert. Sind blitzschnelle Reaktionen für unser Überleben erforderlich, reagiert der Mandelkern auch ohne vorherige Verarbeitung und Bewertung der Großhirnrinde. 

Wir kennen das z.B. dann, wenn wir durch ein plötzlich auftretendes Geräusch aufschrecken. Dann wird unser Körper in Bruchteilen von Sekunden auf Kampf, Flucht  oder Verharren vorbereitet. Schon seit Urzeiten gibt es diese automatische Reaktion. Nur so konnten unsere Vorfahren überleben. Manchmal werden wir durch diese schnelle unbewusste Verarbeitung ohne tatsächliche Gefährdung in Angst versetzt. Dann können wir durch eine bewusste Einschätzung der Situation.

Was passiert bei Angst im Körper?

Angst ist ein Gefühl, das sich bei tatsächlicher oder nur vorgestellter Gefahr einstellt. Unser Organismus ist darauf aus, sich am Leben zu erhalten. Wird Gefahr gemeldet, kommt es nach einer kurzen Schrecksekunde zu einer Alarmreaktion. Das Sympathische Nervensystem tritt in Aktion. Es ist zuständig für die Aktivierung unseres Körpers. Unser Körper wird auf Kampf oder Flucht vorbereitet.

Folgende Angstsymptome (körperlichen Veränderungen) werden durch das Sympathische Nervensystem hervorgerufen:

  • Unser Herzschlag erhöht sich und die Herzkranzgefäße erweitern sich.
  • Unser Blutdruck steigt an.
  • Die Blutgefäße der Haut und inneren Organe verengen sich.
  • Die Skelettmuskeln werden stärker durchblutet und spannen sich an, sodass wir bereit zu Kampf oder Flucht sind.
  • Als Vorbereitung auf mögliche Verletzungen verdickt sich unser Blut.
  • Unsere Bronchien erweitern sich, wir atmen schneller, um uns besser mit Sauerstoff zu versorgen.
  • Wir verbrauchen mehr Energie, der Stoffwechsel wird beschleunigt.
  • Wir verlieren den Appetit, die Verdauung wird eingestellt.
  • Der Blutzuckerspiegel und die Blutfettwerte (Cholesterin) steigen.
  • Unser Speichelfluss wird reduziert, der Speichel wird zähflüssig.
  • Wir verlieren die Lust auf Sex, die Genitalien werden schwächer durchblutet.
  • Unsere Pupillen erweitern sich, um das Sehfeld zu vergrößern und die Gefahr besser zu erkennen.
  • Die Ausscheidung, Harn- und Stuhldrang werden eingestellt.
  • Unsere Energiereserven (Zucker und Fette) werden angezapft, um genügend Energie für eine mögliche Verteidigung zu haben.
  • Unsere Temperatur steigt im Körperinnern an.
  • Wir haben kalten Schweiß.
  • Wir sind hellwach und richten unsere Aufmerksamkeit auf die Gefahr.
  • Wir sind nervös, unruhig und erregt.

Im Normalfall kommt es nach einigen Minuten zu einer Gewöhnung an die Situation. Das Parasympathische Nervensystem kommt zum Einsatz. Es ist dafür zuständig, dass unser Körper wieder in den Normalzustand, zur Ruhe und Entspannung zurückkehrt. Wir bleiben jedoch noch einige Zeit erregt, bis das freigesetzte Adrenalin und Noradrenalin abgebaut sind.


Das Parasympathische Nervensystem veranlasst nun folgende Angstsymptome (körperlichen Veränderungen)

  • Unser Herzschlag verlangsamt sich und die Herzkranzgefäße verengen sich.
  • Unser Blutdruck verlangsamt sich.
  • Die Blutgefäße der Haut und inneren Organe erweitern sich.
  • Die Skelettmuskeln entspannen sich.
  • Unser Blut verdünnt sich.
  • Unsere Bronchien verengen sich, wir atmen langsamer.
  • Wir sparen Energie ein, der Stoffwechsel wird verlangsamt.
  • Die Verdauung kommt wieder in Gang.
  • Die Insulinproduktion wird aktiviert.
  • Unser Speichelfluss kommt wieder in Fluss, der Speichel wird dünnflüssig.
  • Unser sexuelles Verlangen kehrt zurück, die Genitalien werden stärker durchblutet.
  • Unsere Pupillen verengen sich, wir weinen möglicherweise.
  • Es kommt zu Blasen- und Darmentleerung.
  • Unsere Energiereserven (Zucker und Fette) werden nicht mehr angezapft.
  • Wir schwitzen. Die Körpertemperatur im Innern nimmt ab und in der Haut zu.

Bei intensiven Erregungszuständen und bei Panikanfällen können sowohl das Sympathische als auch das Parasympathische System gleichzeitig aktiviert sein.

Biologische Reaktionsmuster bei seelischer und körperlicher Belastung

Sie haben sicher auch schon beobachtet, dass es manchen Menschen in belastenden Situationen die Sprache verschlägt und sie wie erstarrt sind. Andere wiederum werden gereizt, aggressiv und sind sehr unruhig. Dies hängt davon ab, ob wir zum Kampf- und Fluchttyp oder zum Schrecktyp gehören. Wir unterscheiden uns nämlich darin, wie wir bei Angst und Stress reagieren.

  • Wenn Sie zu den Schrecktypen gehören, dann übernimmt in Stresssituationen und bei Angst das Parasympathische Nervensystem die Regie und ist überaktiviert. Die Folge ist, Sie verharren wie im Schock: Ihr Blutdruck verlangsamt sich. Ihnen wird kalt oder Sie schwitzen, Sie  bekommen weiche Knie, Ihnen wird übel, Sie fühlen sich schwach, Sie haben Harn- oder Stuhldrang, erröten, weinen, Ihr Herzschlag verlangsamt sich, Sie atmen langsamer, Ihnen ist schwindelig, Sie sind benommen. Sie fühlen sich hilflos der Situation ausgeliefert. Sie haben Angst, ohnmächtig zu werden.
  • Gehören Sie hingegen zu den Kampf- und Fluchttypen, dann kommt es bei Ihnen bei Angst und Stress zu einer Überaktivierung des Sympathischen Nervensystems: Ihr Blutdruck steigt an, Ihnen wird heiß. Die Muskeln spannen sich an, Ihre Herz- und Atemtätigkeit beschleunigen sich, Sie sind gespannt wie ein Flitzebogen und nervös, Sie leiden unter Verstopfung.

Man geht davon aus, dass wir mit der Veranlagung zum Schreck- oder Kampf/Fluchttyp geboren werden. Jedoch können wir diese Veranlagung auch durch Erfahrung und Lernen beeinflussen.

Was in der Schockphase im Körper passiert

In der ersten Schrecksekunde, der Schockphase, verspüren Sie vielleicht folgende körperlichen Symptome, die durch das Parasympathische Nervensystem gesteuert sind:

  • Sie bekommen schlecht Luft. Dies lässt sich damit erklären, dass Sie vielleicht die Luft anhalten. Ihre Bronchien verkrampfen und die Luftröhre verengt sich.
  • Sie fühlen sich schwindelig und leicht benommen, befürchten eine Ohnmacht. Grund hierfür ist, dass Ihre Herztätigkeit sich verlangsamt. Durch den Blutdruckabfall wird das Gehirn mit weniger Sauerstoff versorgt.
  • Ihnen wird schlecht und Sie verspüren Brechreiz, weil die Magenmuskulatur sich verkrampft.
  • Sie haben zittrige, weiche Knie, das Gefühl, zu schweben und Angst, umzufallen. Eine Erklärung hierfür ist, dass die Skelettmuskulatur erschlafft.
  • Sie haben Blasen- oder Stuhldrang. Dies rührt daher, dass Darm und Blase aktiviert werden, dass der Dickdarm verkrampft ist. Für unsere Vorfahren war es wichtig, mit leichtem Gewicht zu kämpfen.
  • Sie müssen weinen. Tränen sind ein Ausdruck der Schockreaktion.
  • Ihr Kloßgefühl im Hals wird durch die Verkrampfung der Muskulatur am Eingang der Speiseröhre ausgelöst.
  • Sie können keinen klaren Gedanken fassen und haben den Eindruck, verrückt zu werden. Dies ist ebenfalls lediglich ein Ausdruck der Schockreaktion.

Ihre Panikattacke geht dann in die körperliche Aktivierung, die Kampf-/Flucht-Phase, über, in der das Sympathische Nervensystem die Regie übernimmt.

Was in der Kampf- und Fluchtphase im Körper passiert

In der Kampf-/Fluchtphase werden die Beschwerden durch das Sympathische Nervensystem mittels Adrenalinausschüttung verursacht. Ihr Körper ist alarmiert und es gibt bei einer Panikattacke nichts, wofür er die Energie einsetzen könnte. Vielleicht kommen Ihnen die folgenden Symptome auch vertraut vor?

Ihr Herzklopfen und Herzrasen können dadurch entstehen, dass der Herzschlag sich plötzlich beschleunigt, die Pumpleistung sich erhöht und die Herzkranzgefäße sich erweitern. Der Blutdruck steigt. Die gute Nachricht: Steigender Blutdruck und Herzrasen sind ein guter Schutz vor Ohnmacht. Und das Herzrasen während einer Panikattacke ist sogar förderlich für Ihren Körper, das Herz wird trainiert. Ihr Herzstolpern kann entstehen, wenn Ihr Körper die Herzschläge rasch von Verlangsamen auf Beschleunigen oder umgekehrt umschaltet.

Ihr trockener Mund rührt wahrscheinlich daher, dass Sie durch den Mund atmen. Außerdem produziert Ihr Körper nicht so viel Speichel, weil ihm im Augenblick die Verdauung nicht wichtig ist. Wenn Sie Atemnot und Beklemmungen in der Brust verspüren, dann atmen Sie wahrscheinlich zu schnell. Sie nehmen mehr Sauerstoff auf, als Sie verbrauchen.

Wenn Sie außerdem durch den Mund atmen, nehmen Sie zu viel Luft auf, was zu einem Druckgefühl in der Brust kommt. Ihr Engegefühl in der Brust entsteht dadurch, dass sich die Muskelspannung im Bereich der Bronchialmuskeln verändert hat.Ihre Anspannung und Ihr Zittern entstehen durch die starke Anspannung Ihrer Muskeln. Dies ist auch die Erklärung für Ihre wackeligen, leicht schwankenden Beine.

Sie fühlen sich innerlich unruhig und überempfindlich, weil Ihr Körper bereit zur Gefahrenabwehr ist. Ihnen wird heiß und Sie schwitzen, weil Ihr Körper sich abkühlen möchte. Ihre Übelkeit kommt daher, dass der Magen nicht mehr so stark durchblutet wird oder weil sich die Magenmuskulatur verkrampft.

Ihre Schwindelgefühle entstehen, weil das Gehirn weniger stark durchblutet wird. Auch Ihre blasse Haut, die kalten Hände und Füße und die Kribbelgefühle zeigen an, dass deren Durchblutung reduziert wurde. Kribbelgefühle können auch auf das Überatmen zurückzuführen sein.

Ihnen kommt alles eigenartig vor, weil Ihre Pupillen sich erweitert haben. Das Flimmern vor den Augen wird verursacht durch die Blutdruckerhöhung. Ihr Ohrensausen wird ausgelöst durch die erhöhte Herztätigkeit und die Verengung der kleinen Blutgefäße. Die Taubheitsgefühle in Fingern und Zehen können entstehen, weil das Blut von dort abgezogen und hin zu den größeren Muskelgruppen transportiert wird.

 

Was bei der Rückkehr zum Entspannungszustand im Körper passiert

Für die Rückkehr Ihres Körpers in den Entspannungszustand sorgt nun wieder das Parasympathische Nervensystem.

Sie müssen nun mit folgenden Symptomen rechnen: Sie fühlen sich erschöpft und schlapp. Schließlich haben Sie mit den Muskeln quasi einen Kampf ausgetragen. Weiterhin wird Ihr Körper sich abkühlen, indem Sie schwitzen. Übelkeit und Brechreiz, Durchfall und Harndrang können auftreten.

Manchmal können jedoch auch das Sympathische und Parasympathische Nervensystem gemeinsam aktiv sein. Dies führt dann zur Erschöpfung. Bitte behalten Sie diese Zusammenhänge zwischen Ihrem Körper und Ihrer Seele in Erinnerung.

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U. Keller schreibt am 06.05.2021

Vielen Dank für diesen so informativen Artikel, der sehr anschaulich erklärt und gut zu verstehen ist.
Er hat mir dabei geholfen, mein eigenes Muster zu verstehen, ich bin der Fight/Flight-Typ und war lange aufgrund der Tatsache, dass die Bedrohung auf der eher zwischenmenschlichen bzw. gedanklichen Ebene besteht, in den Schreckmodus gezwungen - was mir physische Probleme verursachte.
Kein Arzt/Therapeut hat das jemals erkannt.
Mit Hilfe dieses Artikels ist mir vieles klarer geworden und ich kann versuchen, mein Denken und Handeln zu ändern.
Herzlichen Dank Frau Dr. Wolf und alles Liebe für Sie!
xxx


Manuela schreibt am 06.03.2021

Vielen Dank für den Beitrag
Ich habe Panikattacken, dann kommen kreislaufprobleme dazu und gleichzeitig abet Stuhlgang. Was wirklich dann z Problem wird. Also quasi in der Schockphase. Jedoch wie durchbreche ich die Schockphase?


Dennis schreibt am 17.01.2021

Wow, Danke für diesen Artikel. Der Text hat eine unglaublich entspannende Wirkung auf mich. Ich erkenne mich in jedem Punkt wieder. Der Text bringt mehr als jede Tablette!


Martin Goga schreibt am 02.10.2020

Ich hatte schon häufiger bei einer psychischen Krise das Problem dass ich infolge von Angst in die oft zitierte körperliche "Schockstarre" verfalle. - Besonders zu schaffen macht mir dann die körperliche Reaktion dass ich - besonders morgens aber auch später - so gut wie keine Nahrung schlucken kann (wohl wegen muskulärer Verkrampfung von Speiseröhre und Magen) und mein Mund trotz Trinkens extrem trocken wird was mir das Schlucken von Nahrung zusätzlich erschwert (sind keine Nebenwirkungen meiner Psychopharmaka, habe es ansonsten nicht). - Hat jemand Erfahrungen bzw. Lösungen für diese Problematik? - Vielen Dank im Voraus!


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