In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" erfährst du, warum eine lösungsorientierten Grundhaltung hilft, innere und äußere Probleme in den Griff bekommen.
Bei meiner Oma hingen an den Wänden allerlei Holztäfelchen, wie sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts Flure, Küchen oder gar Wohnzimmer "schmückten". Eines davon gefiel mir ganz besonders. Es hat mich selbst durch manch dunkle Stunden gebracht. In seiner Schlichtheit verweist es auf den einen Faktor, an den Menschen, die zu mir in ihren schwierigen Zeiten kommen, oft gar nicht mehr zu denken vermögen. In ihrer vermeintlich ausweglosen Lage scheint ihnen jede Hoffnung auf einen Lichtstrahl abhanden gekommen zu sein. Umso ungläubiger hören sie mich dann den Spruch meines Lieblingsholztäfelchens zitieren, genauso wie ich ihn damals, sobald ich lesen konnte, Buchstabe für Buchstabe in mich hineingesogen hatte:
„Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“
Die spontane Reaktion von Marianne darauf war, wie nicht selten auch bei anderen Patienten und Patientinnen, zuerst ein abweisendes, zynisches: "Na, da bin ich ja mal gespannt, was da von woher kommen soll …?!" Dennoch ließ sie sich darauf ein, gemeinsam zu überlegen, welche dunklen Bereiche in ihrem Leben sich durch welches Licht ändern könnten.
Marianne legte auf meinen Rat hin eine Liste mit zwei Spalten an. Links schrieb sie all das auf, was sie im Moment am meisten belastete. Rechts schrieb sie – zur Überwindung dieser Hindernisse – für jeden Belastungsfaktor mindestens drei Lösungswege auf. Ich ermutigte sie dazu, auch völlig verrückte, vermeintlich unrealistisch erscheinende Lösungsvorschläge aufzuschreiben.
Wer sich bereits mit Problemlösungstechniken beschäftigt hat, erkennt in dieser einfachen Anweisung die Essenz der klassischen Problemlösungsschritte, um in die Dunkelheit einer scheinbar ausweglosen Situation wieder Licht zu bringen:
Die Bereitschaft, den Gedanken in sich zuzulassen, dass es tatsächlich für jedes Problem ein erhellendes Licht gibt, hilft sehr dabei, sich dem Fluss des Lebens hoffnungsvoll und neugierig zuzuwenden und nach Lösungen Ausschau zu halten.
Das Schauen kann auch durch Hören ersetzt werden. Podcasts hören, Bücher lesen, gute Filme schauen, Musik hören – all das versorgt unser Gehirn mit Ideen, die auf ihre eigene Art und Weise, in Tag- wie in Nachtträumen, Licht- und Lösungsprozesse in uns entstehen lassen können.
Eine lösungsorientierte Grundhaltung ist hierbei von größtem Nutzen: Konsequent von der „Herausforderung“ zu sprechen, die Dunkelheit zu überwinden, anstatt von Problemen, ist dabei sicher ganz besonders hilfreich.
Und noch ein paar wichtige Hinweise zum Lichteinladen aus der psychotherapeutischen Praxis:
Sitzen beim Suchen von neuen Lösungswegen ist gut. Gehen ist für viele Menschen besser. Doch auch wenn du am liebsten mit einem Blatt Papier vor dir dasitzt, macht es Sinn, dich vor dem Brainstorming zu bewegen. Je dunkler es in deiner Seele ist, desto heller können die Gedanken nach jeder Art von Bewegung erstrahlen. Ganz gleich, ob Bewegung bedeutet, zu gehen, joggen, tanzen, schwimmen, radeln, Ski zu laufen oder auf den Kufen deiner Schlittschuhe unterwegs zu sein.
Und "Intervallfasten" ist auch bei der Suche nach Lösungen von Herausforderungen hilfreich:
Nichts tun, stillsitzen oder sich genüsslich mit Schönem beschäftigen – und dadurch wieder und wieder die erstaunliche Erfahrung machen können, wie wahr der Satz sein kann:
„Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“
Dein
Gert Kowarowsky
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