Psychotherapie machen – ein persönliches Versagen?

Viele Menschen gehen nicht zum Psychotherapeuten, weil sie es als persönliches Versagen ansehen sich nicht selbst helfen zu können.

Psychotherapie machen – ein persönliches Versagen?
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Ist es ein Zeichen von Schwäche, wenn man eine psychologische Beratung bei einem Psychotherapeuten in Anspruch nimmt? Muss man sich dafür schämen?

"Eine Psychotherapie machen, ist für mich eine Niederlage." Dieser Satz kommt bis heute oft von Klienten und Patienten, insbesondere von Männern. Dahinter steht die Überzeugung, dass Menschen in jeder Situation alleine zurechtkommen und ihre Probleme selbst lösen sollten. Sind sie dazu nicht in der Lage, dann sehen sie dies als Schwäche oder persönliches Versagen.

Eine neue Sichtweise auf Psychotherapie

Es lohnt sich jedoch, Psychotherapie auch aus einer anderen Sichtweise zu betrachten:

  • Es gibt Situationen, die so belastend sind, dass die meisten von uns eine lange Zeit und gehörige Anstrengung benötigen, um uns damit zu arrangieren. Da viele Menschen sich in Krisen zurückziehen und mit anderen nicht über ihre Probleme und Gefühle sprechen, bekommen wir leicht den Eindruck, nur wir fühlen uns so hilflos und verzweifelt. Gewöhnlich sprechen Klienten nur mit wenigen Vertrauten darüber, dass sie eine Therapie machen. So hat es den Anschein, wir seien die einzigen, die ein Problem hätten und damit nicht zurechtkämen.
  • In unserer Gesellschaft gibt es für alle Belange und Probleme Experten. Wir suchen bei Rückenschmerzen einen Orthopäden auf, bei rechtlichen Fragen einen Anwalt. Experten haben in ihrem Bereich mehr Kompetenzen und Erfahrungen, einen Überblick über die infrage kommenden Diagnosen, die möglichen Ursachen der Probleme und Lösungsmöglichkeiten. Nichts anderes bietet der Psychotherapeut an. Wenn wir dem Orthopäden einen Besuch abstatten, kämen wir nie auf die Idee, dies als Schwäche oder Versagen anzusehen. Bei einem Psychotherapeuten macht dies ebenfalls keinen Sinn.
  • Einen Unterschied gibt es zwischen Chirurgen und Psychotherapeuten: Der Psychotherapeut kann unsere Probleme nicht wegoperieren. Unsere Probleme existieren in unserem Kopf und Körper. Wir selbst müssen unsere Einstellungen und unser Verhalten, manchmal auch unsere Situation verändern. Das bedeutet: Wenn wir zu einem Psychotherapeuten gehen, müssen wir die Arbeit selbst erledigen. Er kann für uns lediglich Wegbereiter und Begleiter sein. Seine Aufgabe ist uns zuzuhören, unser Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu stärken, uns neue Blickwinkel zu eröffnen und neue Strategien vorzustellen.
  • Vielleicht haben Sie schon mal versucht, an Ihrem Auto oder Haus selbst etwas zu reparieren. Dann könnte es sein, dass Sie lange herumprobiert haben und entnervt aufgegeben haben. Schließlich haben Sie sich an einen Fachmann gewendet. Sie wollten ihr Problem endlich gelöst haben. Und es wäre unklug von Ihnen gewesen, weiterhin selbst herumzuschrauben und zu experimentieren, wenn Ihnen das notwendige Know-how fehlt. Zu einem solchen Punkt können wir auch bei seelischen Problemen gelangen. Wir können zwar weiterwurschteln, aber der Schmerz bleibt und unsere Hoffnung auf Besserung schwindet zunehmend.
  • Manchmal suchen wir eine Lösung in einer völlig falschen Richtung. Gründe dafür können sein, dass die "bessere" Lösung kurzfristig erst einmal zuviel Schmerz und Veränderung für uns bringen würde oder wir diese Lösung gar nicht erkennen. Hier kann eine neutrale Person, wie ein Therapeut oder Coach, helfen, den Blickwinkel zu ändern.

Zusammenfassend können wir sagen, dass es nicht von Schwäche oder einer Niederlage zeugt, wenn wir uns Unterstützung und Hilfe bei einem Psychotherapeuten holen. Eine Psychotherapie bietet die Chance, Unbewältigtes abzuschließen, neue Wege zu finden und zu erproben.

Informationen zur Psychotherapie bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten

Antwort auf die Fragen

  • Wie finde ich einen qualifizierten Psychotherapeuten?
  • Wie muss ich vorgehen, wenn ich eine Psychotherapie machen möchte?
  • Wie lange dauert eine Psychotherapie?
  • Einige allgemeine Regeln der Psychotherapie
  • Ist ein Wechsel des Psychotherapeuten im Verlauf der Therapie möglich?
  • Woran merke ich, dass die Therapie erfolgreich ist?
  • Was passiert in einer Psychotherapie?
  • Welche Therapieformen gibt es?
  • Wann benötige ich eine Psychotherapie?
  • Worauf muss ich bei der Auswahl eines Psychotherapeuten achten?
  • Was ist der Unterschied zwischen einem psychologischen Psychotherapeuten, einem Nervenarzt und einem Psychiater?
  • Wird Psychotherapie immer von den Krankenkassen bezahlt?

Psychotherapie – was kann und leistet sie?

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Chris schreibt am 24.02.2020

Ich weiß nicht, ich hab am Mittwoch einen Termin, hab etwas über 4 Wochen darauf gewartet, glaube nicht das es hilft, ich weiß es nicht


K.M. schreibt am 09.12.2019

Es ist keine Schwäche, sondern eher ein Zeichen von Stärke. Ich leide schon seit mehreren Jahren an schweren Depressionen; habe aber Gottseidank einen sehr guten Arztder mich bei meinen Therapien voll unterstützt.


J.B. schreibt am 03.12.2019

Ehrlich gesagt, nein, Ich empfinde es als "Stärke", denn es ist nie Einfach solch einen Weg zu gehen und den ersten Schritt zu machen. Mit der Erkenntnis, dass man alleine nicht mehr weiter kommt und alle um einen herum von sich stößt, zeigt einfach nur das man Hilfe braucht. Und sich Hilfe zu holen um sein Leben wieder in geregelte Bahnen zu bekommen, beweist, dass man bereit ist etwas zu tun. Und das ist stark. Weil man möchte ja, dass es wieder bergauf geht, man wieder Freude empfindet und es einem besser geht.Meine Psyche hat sehr unter meiner gesundheitlichen Beeinträchtigung und den Verlust des ersten Jobs in der Probezeit gelitten. Seit einiger Zeit mache ich eine Gesprächstherapie. Nun habe ich zwar wieder einen Job, bekomme aber meine alltäglichen Aufgaben nicht unter einen Hut und mache mir selbst am meisten stress deswegen. Nun bin ich an einem Punkt, wo die Gesprächstherapie nicht mehr ausreicht. Gemeinsam mit meiner Therapeutin habe ich mich entschieden ein Antidepressivum zu nehmen (zumindest für einige Zeit) um wieder stabiler zu werden und an meiner Situation arbeiten zu können. Medikamente zu nehmen, weil man allein nicht mehr klar kommt, ist nicht schön. Aber es ist für mich ein Versuch um wieder ein Leben mit Freude zu führen. Und wenn es sein muss, mache ich eine Therapie. Und damit geh ich ganz offen um und mein Partner unterstützt mich dabei.


L schreibt am 05.11.2019

Es ist eine Schwäche.


Steffi schreibt am 27.09.2019

Hallo Josi,Es ist dein Leben . Wenn du dich seelisch krank fühlst so spinnst du nicht ,sondern du bist seelisch krank.Es mag sein ,dass deine Eltern eine andere Auffassung haben .Es geht hier im Dich.Nur du zählst für dich und sei dir wichtig.Sich ernst nehmen ist der erste Schritt zur Besserung.Viele Grüße Steffie


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 Eine neue Sichtweise auf Psychotherapie
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