Seit mehr als 40 Jahren arbeite ich als Psychottherapeutin. Menschen auf dem Weg zu unterstützen, mehr Lebensfreude und neue Kraft zu verspüren, erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit.
Was sind Schuldgefühle? Sind Schuldgefühle sinnvoll? Wie mit quälenden Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen umgehen?
Plagen Sie Schuldgefühle? Machen Sie sich häufig Selbstvorwürfe und haben ein schlechtes Gewissen? Schuldgefühle sind ein Gift, das uns innerlich auffrisst. 4 Ratschläge, wie Sie Schuldgefühle überwinden bzw. vermeiden können.
Kommen Ihnen die folgenden Gedanken vertraut vor?
Dies sind typische Selbstvorwürfe, wenn wir Schuldgefühle haben. Warum haben wir Gewissensbisse? Schauen wir uns die Ursachen von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen an.
Wenn es Ihnen wie den meisten Menschen geht, dann glauben Sie, dass Schuldgefühle zwangsläufig auftreten, wenn Sie sich falsch verhalten, also etwas tun, was Sie für schädlich, falsch, unmoralisch oder unangemessen halten. Dagegen spricht, dass es Menschen gibt, die sich bei genau dem gleichen Verhalten in keinster Weise schuldig fühlen.
Ein Extrembeispiel hierfür sind Verbrecher, die kein Unrechtsbewusstsein besitzen und keine Schuldgefühle haben. Schuldgefühle sind „hausgemacht". D.H.: Wir selbst machen uns unsere Schuldgefühle durch die Art und Weise, wie wir unser (Fehl)Verhalten und uns beurteilen.
Wir fühlen uns schuldig, wenn wir uns vorwerfen,
Damit wir Schuldgefühle bekommen, müssen wir unseren Selbstvorwürfen etwas Wichtiges hinzufügen - nämlich die Schlussfolgerung: weil wir uns nicht so verhalten haben, wie wir es - unserer Meinung nach -hätten tun sollen, sind wir verurteilenswerte und schlechte Menschen.
Diese Schlussfolgerung, dass wir schlecht sind, bewirkt, dass wir unter Schuldgefühlen leiden und ein schlechtes Gewissen haben.
Schuldgefühle
Eine weitere Folge unserer Selbstvorwürfe sind Depressionen. Wir fühlen uns als Versager. Machen wir uns viele Selbstvorwürfe, können wir in völlige Mutlosigkeit verfallen. Ein Betroffener sagte: Mich lähmt die Traurigkeit über verpasste Chancen. Hätte ich nur früher den Mut von heute gehabt. Jetzt bin ich in der Sackgasse des Lebens angekommen.
O.k., wir haben einen Fehler gemacht. Es wäre besser gewesen, die fällige Rechnung zu begleichen, mit dem Partner, den Kindern, den Eltern mehr Zeit zu verbingen, usw. Doch, was geschehen ist, ist geschehen. Wir können das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Wir hatten gute Gründe, warum wir uns in der Vergangenheit so und nicht anders verhalten haben.
Wir können nicht in die Zukunft sehen und wissen, ob eine Entscheidung, die wir heute treffen und für richtig halten, sich morgen als falsch erweist. Abgesehen davon, dass wir nicht perfekt sind und deshalb immer wieder Fehler machen, können wir nicht in die Zukunft schauen.
Und unser Wissen und Können ist begrenzt. Deshalb ist es nicht fair, wenn wir uns Schuldgefühle machen. Machen Sie den Schuldgefühle Test und schauen, wie sehr Schuldgefühle Ihr Leben beeinträchtigen.
TIPP 1: Sprechen Sie mit einem vertrauten Menschen über Ihre Schuldgefühle.
Manchmal sind wir so in unseren Selbstvorwürfen gefangen, dass wir uns gedanklich im Kreis drehen und keinen Ausweg sehen. Wir glauben die Situation nur so einschätzen zu können, wie wir es tun. Wir glauben, uns genauso fühlen und verhalten zu müssen, wie wir es tun.
Eine Freundin, ein Freund oder ein Therapeut können helfen, neue Sichtweisen zu entwickeln. Haben Sie Angst, sich persönlich jemandem anzuvertrauen, bleibt Ihnen die Möglichkeit, sich an die Telefonseelsorge zu wenden.
Gebührenfreie Notfallnummern der Telefonseelsorge
0800 111 0 111
0800 111 0 222
TIPP 2: Vorwürfe loslassen
Eine Strategie, die für mich persönlich besonders hilfreich ist, ist die folgende. Ertappe ich mich bei einem Fehler, sage ich mir innerlich:
Ich habe so gehandelt, weil ich es in diesem Moment für richtig hielt. Ich bedaure, dass mir das passiert ist, aber ich kann nicht immer alles richtig machen. Ich habe mein Bestes gegeben, was mir in diesem Augenblick möglich war. Ich bin bereit, loszulassen.
Ein manches Mal brauche ich einige Stunden, manchmal auch ein bis zwei Tage, bis ich gefühlsmäßig die Selbstvorwürfe loslassen kann, mir mein Missgeschick verzeihen kann und wieder zu meinem inneren Frieden finde.
TIPP 3: Verzeihen Sie sich den Fehler
Stellen Sie sich vor einen Spiegel und schauen sich in die Augen. Sprechen Sie sich mit Ihrem Vornamen an und sagen Sie laut zu sich: "... (Ihr Vorname), ich bin bereit, dir zu verzeihen. Du hast getan, was dir in diesem Moment möglich war".
Vielleicht mögen Sie diese Übung auf den ersten Blick lächerlich finden oder einen innerlichen Widerstand empfinden. Ich möchte Sie dennoch bitten, diese Übung mehrmals durchzuführen und dann zu entscheiden, ob Sie damit aufhören möchten.
Es ist eine der wirkungsvollsten Übungen, die ich kenne, um Schuldgefühle loszulassen und zu innerem Frieden zu finden. Verzeihen heißt nicht, dass Sie Ihr Verhalten gutheißen, sondern lediglich, dass Sie sich zugestehen, Fehler machen zu dürfen.
TIPP 4: Behandeln Sie sich selbst so, wie Sie einen Freund behandeln würden.
Was würden Sie einem Freund raten, der Ihnen sagen würde, er mache sich große Vorwürfe wegen genau derselben Sache, wegen der Sie sich Vorwürfe machen? Würden Sie ihn genauso verurteilen wie sich selbst? Häufig gehen wir mit anderen Menschen wesentlich nachsichtiger und milder um, wie mit uns selbst.
Mit welchen verständnisvollen Worten würden Sie ihn trösten? Beherzigen Sie den Ratschlag, den Sie dem Freund geben würden, selbst. Behandeln Sie sich auch mit Milde und Verständnis. Wenn Sie zu anderen nett und freundlich sind, dann sollten Sie es auch zu sich sein. Das ist nur gerecht, oder? Was Sie anderen verzeihen können, können Sie auch sich verzeihen.
Wer sollte dafür verurteilt werden, wenn ein Blatt vom Baum fällt?
Videoberatung zum Thema Schuldgefühle
Ich habe die Arbeit meines alkoholabhängigen Geschäftspartners jahrelang mit übernommen und bin für seine Schulden eingestanden. Dafür habe ich meine Altersvorsorge geopfert. Nun bin ich selbst körperlich angeschlagen und kann nicht mehr arbeiten. Ich werfe mir vor, im Leben alles falsch gemacht zu haben.
Ich habe geantwortet:
Wir alle können in unserem Leben nur nach dem entscheiden, was wir im Augenblick als richtig ansehen. Vorhersehen, was uns in der Zukunft erwartet, können wir nicht. Es gab für Sie sicher viele gute Gründe, warum Sie Ihrem Geschäftspartner so lange die Stange gehalten haben.
Vielleicht wollten Sie ihn aus Mitleid nicht fallenlassen oder haben ihn im nüchternen Zustand als sehr guten Geschäftspartner geschätzt und wollten ihn deshalb nicht verlieren. Man könnte es durchaus auch als positiv ansehen, dass Sie ihm immer wieder eine Chance gegeben haben. Selbstvorwürfe, alles falsch gemacht zu haben, verschlimmern Ihre Lage jetzt nur noch.
Sie können Ihr Verhalten nicht mehr ungeschehen machen, aber Ihre Haltung dazu verändern. Eine angemessene Betrachtung könnte z.B. sein: „Ich habe die Chance, dass mein Geschäftspartner seine Alkoholabhängigkeit überwinden kann, falsch eingeschätzt. Mit dem Wissen von jetzt würde ich anders handeln, als ich es getan habe. Ich würde nicht für ihn bürgen und ihm zur Auflage machen, sich in eine Suchtklinik zu begeben.“
Unterbrechen Sie Ihre Gedanken, wann immer Sie sich bei Selbstvorwürfen ertappen. Ersetzen Sie die Vorwürfe durch den Gedanken: „Ich bin bereit zu akzeptieren, dass ich in dieser Weise gehandelt habe.“ Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit dann darauf, wie Sie Ihre Gesundheit und Ihre finanzielle Lage verbessern können. Möglicherweise können Sie noch beratend tätig sein oder bei einem Kollegen stundenweise arbeiten.
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Ich habe schon mein gesamtes Leben mit Selbstzweifel zu tun. Selbst, wenn es nur Kleinigkeiten sind beschäftigt mich das tagelang. Jetzt habe ich einen massiven Fehler in meiner Bachelorarbeit gemacht und bin deshalb durchgefallen. Das erste Gefühl war ein Schock und seit dem nur noch Selbstzweifel und eigene Vorwürfe, wie dumm ich war. Ich kann meine Fehler einfach nicht akzeptieren und analysiere sie immer wieder, wie es zu dieser Situation kommen kann. Es ist so schlimm, dass für mich jeder Fehler ein "Weltuntergang" ist und ich körperliche Schmerzen habe, sobald das geschieht.
Ich bekomme Schuldgefühle, wenn ich mich mit anderen Frauen als meiner Affäre/gute Freundin verabrede. Nur schon der Gedanke mich mit jemandem weiblichen zu Verabreden löst bei mir Schuldgefühle aus. Ich glaube es ist, weil ich aus der Vergangenheit, das Gefühl habe ich werde mit dieser Frau dann evt. Schlafen was wiederum schlecht/unfair für meine Affäre/gute Freundin ist.Mich nicht mehr mit anderen Fraue zu treffen ist für mich dem Problem aus dem weggehen. Wie bekomme ich jedoch die Schuldgefühle in den Griff?
Ich habe vor 8 Jahren meine Frau und drei Söhne (damals 14-20 Jahre) für eine andere Frau verlassen - dies auch unter Druck der neuen Partnerin der ich sehr verfallen war. Seit dem mache ich mir schwere Vorwürfe. ich habe damals gewusst dass meine Ex nicht mehr auf die Beine kommt - sie blieb auch alleine . Aus Schuldgefühl richte ich mein Leben voll auf meine ex Familie aus, unterstütze sie beratend, finanziell und praktisch bis zur Selbstaufgabe. Gönne mir nichts, vernachlässige meine neue Partnerschaft die kurz vor der Trennung ist. Ich werde die Gewissensbisse nicht los obwohl auch meine Söhne mich darin unterstützen- es kommt im Gefühl nicht an. Was kann ich machen? Rational kann ich alles erklären, mein Gewissen sagt mit aber ich bin wissentlich da reingelaufen...
Ach so. Noch ein Nachtrag.Im Beitrag steht, dass man mit sich milde umgegehen soll und sich verzeihen soll, wenn man einen "Fehler" gemacht hat.Nun könnte ich einen unangemessenen Ton oder eine unangemessene Handlung als "Fehler" durchaus verstehen. Aber warum ist es auch ein Fehler, etwas zu unterlassen, was einem seelische Schmerzen verursacht hätte? Z.B. Öfters den Vater in der Pflegeeinrichtung zu besuchen.Das hieße ja, ich müsste mich nur etwas mehr zusammenreißen.Ist jetzt sehr schwarz-weiß gedacht. Mich stört einfach nur der Begriff "Fehler", da er für mich etwas Negatives impliziert...aber vielleicht ja nur bei mir.
Hallo!Vielen Dank für den Beitrag über Selbstvorwürfe und Schuldgefühle.Manchmal kann ich mir sagen, dass ich so gut gehandelt oder entschieden habe, wie es mir möglich war.Auch meinen Eltern ggü. besitze ich bei einigen Themen mittlerweile diese Einstellung.Bei anderen Themen allerdings nicht, hier hätten sie sich anders verhalten MÜSSEN.Meine Mutter ist bereits verstorben, mein Vater ist dement und in einer Pflegeeinrichtung. Ich kann ihn kaum noch besuchen und wenn, dann unter großer Anstrengung. Er tut mir so leid und es tut mir weh, denn er sitzt einfach nur noch da und bekommt keinen Satz mehr raus. Er war so ein agiler Mensch.Auch erkennt mich nicht mehr, das tut ebenfalls sehr weh, denn vom Gefühl her, hatte ich als Kind zuwenig von meinem Vater. Wie soll ich entscheiden? Hingehen, um für ihn da zu sein und auch zu hoffen, dass ich noch etwas von meinem Vater habe? Oder nicht hingehen und mich vor dem Schmerz schützen, ihn zu sehen und wahrzunehmen, dass er immer weniger wird?Alles nicht so einfach.VG