Psychotherapie: Angst vor dem Therapieende?

Ist am Ende einer Psychotherapie der Heilungsprozess abgeschlossen? Was können Sie tun, wenn eine Psychotherapie nicht geholfen hat? Wie geht es weiter? In diesem Beitrag bekommen Sie wirkungsvolle Strategien und konkrete Hilfestellungen an die Hand, die Ihnen den Wiedereinstieg ins Alltagsleben und den Umgang mit Rückschlägen erleichtern.

Psychotherapie: Angst vor dem Therapieende?
© unpict, Adobe Stock

Viele Klienten sehen dem Ende einer Psychotherapie mit gemischten Gefühlen entgegen. Ja, manche haben sogar Angst vor dem Therapieende. Warum das so ist, davon handelt dieser Beitrag.

Der Aufenthalt in einer Klinik oder eine ambulante Psychotherapie ist immer befristet. Dem Therapieende sehen wir meist sehnsüchtig, aber auch mit gemischten Gefühlen entgegen. Wir verknüpfen mit dem Therapieende sowohl Freude als auch Angst und Hilflosigkeit. Wir fühlen uns wieder "normal" und als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft.

Endlich brauchen wir keinen mehr, der uns an die Hand nimmt. Wir können wieder auf uns und unsere eigenen Kräfte vertrauen. Wenn der Psychotherapeut uns ziehen läßt, so muss dies schließlich bedeuten, dass er uns zutraut, wieder ins Alltagsleben einzutauchen und alleine zurechtzukommen.

Diese Freude wird durchkreuzt von vielen Selbstzweifeln und Grübelgedanken: Wie werden die anderen auf uns reagieren? Sind wir wirklich schon in der Lage, alleine mit unseren Gefühlen und Problemen klar zu kommen? Was wenn wir einen Rückfall haben? Wie werden wir die Rückkehr an den Arbeitsplatz verkraften? Werden wir unsere Fortschritte beibehalten oder steigern können?

Eine gewisse Unsicherheit oder Angst vor dem Therapieende ist normal. Schließlich heißt es nun, alleine mit den Problemen fertig werden zu müssen, ohne jemanden um Rat fragen zu können. Damit Ihnen das gelingt, möchte ich auf einige Stolpersteine nach dem Ende einer Psychotherapie genauer eingehen.

Stolpersteine auf dem Weg ins

1. Sie stellen zu hohe Erwartungen an sich und übersehen deshalb Ihre Fortschritte.

Wenn Sie an sich arbeiten, ist es wichtig, genau zu erkennen, wann Sie Fortschritte machen. Erkennen Sie Fortschritte nicht als Fortschritte oder deuten diese als Rückschritte, fühlen Sie sich, als ob Sie nicht vorankommen würden. Sie sind dann gefährdet, aufzugeben und in Resignation zu verfallen.

Fortschritt heißt nicht: überhaupt nie mehr negative Gefühle oder Probleme zu haben. An folgenden Anzeichen erkennen Sie Ihren Fortschritt in einer Psychotherapie:

  • Fortschritt ist, wenn Sie Ursache und Wirkung erkennen. Es ist ein Fortschritt, wenn Sie erkennen, warum Sie in einer bestimmten Situation in bestimmter Art und Weise reagieren. Es ist ein Zeichen von Weiterentwicklung, wenn Sie erkennen, dass ganz bestimmte Einstellungen und Verhaltensmuster zu Ihren Gefühlen führen. Eine Erklärung zu haben, bedeutet nämlich, nicht mehr Opfer seiner Gefühle und Reaktionen zu sein.
  • Fortschritt ist, wenn Ihre negativen Gefühle und Verhaltensweisen im Vergleich zu früher schneller nachlassen. Ihre Gefühle und negativen Verhaltensweisen treten zwar noch auf, aber Sie schaffen es schneller, wieder in hilfreiches Fahrwasser zu gelangen.
  • Fortschritt ist, wenn Ihre negativen Gefühle und Verhaltensweisen im Vergleich zu früher weniger stark sind. Ihre Gefühle und negativen Verhaltensweisen treten zwar noch auf, aber sind nicht mehr so heftig und quälend.
  • Fortschritt ist, wenn Ihre negativen Gefühle und Verhaltensweisen im Vergleich zu früher nicht mehr so häufig auftreten. Ihre Gefühle und negativen Verhaltensweisen treten zwar noch auf, aber Sie schaffen es schon häufig, gleich Ihr neues Verhalten zu zeigen oder positiver zu reagieren.
  • Fortschritt ist, wenn Sie in bestimmte Situationen gehen, die Sie früher gemieden haben – auch wenn Ihnen mulmig zumute ist. Denken Sie daran, dass Sie sich, wenn Sie sich etwas Neues aneignen wollen, dabei zunächst unwohl und unsicher fühlen. Wenn Sie beispielsweise Ihre Angst abbauen möchten, müssen Sie zunächst so tun, als ob Sie bereits keine Angst mehr hätten, und mit Angst in die Situation gehen. Mit der Zeit wird die Angst nicht mehr auftreten.
  • Fortschritt ist, wenn Sie sich in bestimmten Situationen an das erinnern, was der Therapeut Ihnen gesagt hat.

2. Sie erwarten von sich, keine Rückschläge zu haben.

Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit Rückfälle in alte Reaktionsweisen haben. Das bedeutet nicht, dass Sie Ihren Gefühlen und Verhaltensgewohnheiten ausgeliefert sind und sich niemals ändern werden. Übermüdung, generelle schlechte Stimmung, anbahnende körperliche Erkrankung, PMS, Überforderung, Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Partnerschaft, aber auch nachlassende Achtsamkeit und nachlassendes Bemühen können einen Rückschlag begünstigen.

Insbesondere bei Ängsten können auch Situationen, die uns an die Situation erinnern, in denen wir zum ersten Mal eine Panikattacke verspürt haben, alte negative Gedanken und die Panik wieder aktivieren. Manchmal wollen wir uns schonen, fühlen wir uns einfach zu schwach, bewusst unsere neuen Strategien umzusetzen.

Sie sollten bei einem Rückfall nach einer Psychotherapie unbedingt Selbstabwertungen wie: "Du solltest keinen Rückfall haben. Das hätte dir nicht mehr passieren dürfen" vermeiden, sonst setzen Sie sich selbst unter Druck.

Wenn man weiß, wie man reagieren sollte, heißt das noch lange nicht, dass man immer so reagieren wird. Unsere alten Denk-, Gefühls- und Verhaltensgewohnheiten werden so lange wiederkehren, bis unsere neuen stärker sind als die alten. Statt sich bei einem Rückfall zu verurteilen, machen Sie sich auf die Suche nach den Ursachen:

  • Weshalb sind Sie in alte Gewohnheiten verfallen?
  • Was genau müssen Sie beim nächsten Mal anders machen?

Stellen Sie sich dann in der Phantasie vor, wie Sie das nächste Mal Ihr neues Verhalten zeigen. Wenn wir bestimmte Probleme überwunden haben, bedeutet das nicht, dass wir nie mehr Probleme mit bekommen können. Bei neuen Situationen (etwa wenn wir eine neue Stelle antreten, wenn wir uns scheiden lassen, eine schwere Krankheit haben, der Partner stirbt) können neue Schwierigkeiten auftreten.

3. Sie erwarten, dass es Ihnen stetig besser geht.

Das ist gewöhnlich ein Irrglaube. Veränderungen sind nicht gradlinig. Sie verlaufen mit Umwegen, manchmal gibt es auch einen Rückschritt oder vorübergehenden Stillstand. Dann sollten wir uns genauer anschauen, ob vielleicht das Risiko einer Neuorientierung zu groß für uns ist und wir lieber unsere negativen Verhaltensweisen beibehalten wollen.

Vielleicht haben wir Angst vor der Verantwortung, Angst, Fehler zu machen oder Angst vor Ablehnung. Vielleicht wollen wir nicht auf das Mitgefühl, die Zuwendung oder die Unterstützung der anderen verzichten. Wenn das alles nicht zutrifft, dann sollten Sie nach Beendigung der Psychotherapie weiter am Ball bleiben und Ihre neu erlernten Einsichten und Strategien einsetzen. Dann werden Sie Ihrem Ziel näherkommen.

4. Sie erwarten von sich, ein völlig neuer Mensch zu werden.

Diese Erwartung ist unrealistisch. Sie werden auch nach einem Klinikaufenthalt oder einer länger andauernden Psychotherapie kein vollkommen neuer Mensch werden. Ihre Erfahrungen in der Vergangenheit werden erhalten bleiben. Sie sehen sie nur aus einem anderen Blickwinkel, so dass sie nicht mehr so schmerzlich und lähmend sind. Sie fügen Ihren alten Denk-, Gefühls- und Verhaltensgewohnheiten neue hinzu, die alten werden weiter bestehen.

Wir können das mit einem tiefen Cannyon, in dem schon jahrzehntelang das Wasser fließt, vergleichen. In der Therapie graben Sie quasi einen neuen Graben. Durch bewusstes Umleiten und viel Übung lenken Sie das Wasser in den neuen Graben. Der alte bleibt jedoch erhalten. Sie ergänzen also Ihre Möglichkeiten zu reagieren, aber verwandeln sich nicht in einen vollkommen anderen Menschen.

5. Sie resignieren, wenn Sie nicht weiterkommen.

Manchmal stellt sich nach dem Klinikaufenthalt oder dem Abschluß einer Psychotherapie heraus, dass man doch noch nicht so stark ist, wie es sich alle vorgestellt haben. Der erste Schritt sollte dann sein, dass Sie sich noch einmal all das in Erinnerung zu rufen, was Sie in der Therapie erfahren und gelernt haben. Auch der Kontakt zu Mitpatienten oder Gruppenmitgliedern kann hilfreich für Sie sein.

Haben Sie den Eindruck, dies reicht nicht aus, dann sollten Sie den Mut haben, sich weitere Unterstützung zu holen. Nehmen Sie nochmals Kontakt zu Ihrem Psychotherapeuten auf oder suchen Sie eine Selbsthilfegruppe vor Ort. Das hat nichts mit Niederlage oder Versagen zu tun. Sie haben den Mut gehabt, die ersten Schritte alleine zu gehen. Sie haben erfahren, dass Sie noch weitere Strategien benötigen.

Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Leben

Egal, wie Sie sich entscheiden. Es ist gut, dass Sie aktiv werden und weiterhin die Verantwortung für Ihr Leben übernehmen.

Kein anderer Mensch kann beurteilen, ob Sie schon weiter sein sollten, als Sie es sind. Sie sind Ihr eigener Maßstab.

Es wäre schade, wenn Sie jetzt aufgeben würden – wo Sie schon so viel unternommen und erreicht haben! Viel Kraft und Erfolg auf Ihrem Weg zu mehr Lebensfreude und Gesundheit.

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 Stolpersteine auf dem Weg ins
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