Selbstmitleid – warum wir uns damit keinen Gefallen tun

Selbstmitleid tut gut, aber nur in kleinen Dosen. Wann Selbstmitleid schädlich ist und was man gegen Selbstmitleid tun kann.

Selbstmitleid – warum wir uns damit keinen Gefallen tun
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Sich gelegentlich selbst zu bemitleiden, seine Wunden zu lecken und zu jammern, kann guttun. Bemitleiden wir uns jedoch regelmäßig und ständig, dann schaden wir uns. Wie das Wort schon sagt, geht es beim Selbstmitleid darum, dass wir uns selbst leid tun und uns bedauern. Wir haben vielleicht eine unangenehme Erfahrung gemacht, eine Trennung oder Entlassung, fühlen uns betrogen und hintergangen, ungerecht behandelt und bedauern uns.

Wir denken:

  • Warum ich! Warum ist das Leben so gemein und ungerecht zu mir.
  • Niemand geht es so schlecht wie mir. Das kann ich nicht aushalten.
  • Das habe ich nicht verdient.
  • Warum ziehe immer ich die Arschkarte?
  • Allen anderen geht es gut. Nur mir geht es beschissen.
  • Alle anderen haben es leichter als ich.
  • Das Leben ist ungerecht.
  • Ich hab etwas Besseres verdient.

Aus dem Song "Selbstmitleid" von Herbert Grönemeyer

... Alle Türen zugeschlagen
Keiner kann Dich ertragen
Du bist einfach ein Nichts
Tu dir leid
Tu dir leid ...

Wenn wir uns selbst bemitleiden, dann lecken wir unsere Wunden. Ab und zu mal eine Prise Selbstmitleid hilft, erlittenes Unrecht oder Ungerechtigkeiten besser zu verkraften.

Warum schadet Selbstmitleid?

Versinken wir über längere Zeit in Selbstmitleid und beschäftigen uns nur noch mit unserem Leid, dann landen wir der Selbstmitleidsfalle. Dadurch dass wir uns immer immer wieder bedauern, vielleicht auch anderen davon erzählen, verspüren wir immer wieder denselben Schmerz.

Es ist, wie wenn wir immer wieder in eine Wunde stechen oder Salz in die Wunde streuen, statt sie heilen zu lassen. Wohlgemeinte Ratschläge von anderen tun wir damit ab, dass diese uns nicht verstehen können, weil sie nicht in unserer Situation sind: „Du hast gut reden.“

Wir machen uns immun gegen eine Veränderung, weil wir uns weigern, die Verantwortung für unsere Lage zu übernehmen. Dadurch ändert sich nichts in unserem Leben zum Positiven. Unser Ziel ist es, von anderen bedauert, getröstet und umsorgt zu werden.

Wenn wir uns bemitleiden, machen wir uns zum Opfer des Schicksals oder anderer Menschen. Und da andere oder das Schicksal für unser Leid verantwortlich sind, können wir nichts tun, damit es uns besser geht - so denken wir. Wir sitzen in der Opfer-Falle.

Welche Folgen hat übertriebenes Selbstmitleid?

Sich ständig zu bedauern und zu bemitleiden vergiftet das eigene Gefühlsleben. Langfristig führt Selbstmitleid zu negativen Gefühlen wie Depressionen, Einsamkeit, Äger und Angst. Wir ziehen uns von Freunden und Mitmenschen zurück oder diese ziehen sich von uns zurück, da sie unser Jammern nicht mehr hören wollen.

Vielleicht greifen wir zu Suchtmitteln, um unsere negativen Gefühle besser ertragen zu können. Daneben müssen wir mit körperlichen Beschwerden wie z.B. Kraftlosigkeit, Schlafstörungen und Appetitmangel kämpfen.

Schließlich führt Selbstmitleid dazu, dass wir uns überwiegend auf Negatives konzentrieren und so die positiven und schönen Dinge im Leben verpassen. Selbstmitleid macht hilflos und führt dazu, dass sich nichts zum Besseren wendet.

Sich ständig zu bemitleiden ist, als ob man in eine versalzene Suppe noch mehr Salz hineinschüttet.

Was tun bei Selbstmitleid?

TIPP 1Um unser Selbstmitleid überwinden zu können, ist Voraussetzung, dass wir uns bewusst für eine Veränderung entscheiden. Hierbei helfen die folgenden Fragen:

  • Wie geht es mir, wenn ich mir immer wieder mein Leid vor Augen führe und mich bei anderen darüber beklage?
  • Was ist mein Ziel für die Zukunft? - (beispielsweise nach einer Trennung einen neuen Partner zu finden oder wieder lachen zu können)
  • Helfe ich mir durch meine Grübelgedanken, Hadern und mein Selbstmitleid, mein Ziel zu erreichen?

TIPP 2Dann gilt es unsere Bewertung zu überprüfen. Nicht ein Ereignis als solches verursacht unser Selbstmitleid und unsere negativen Gefühle sondern unsere Bewertung. Manchmal stimmt unsere Bewertung jedoch nicht mit den Tatsachen überein. Wir übertreiben z.B. das Ausmaß eines Ereignisses oder schätzen unsere Lösungsmöglichkeiten gering ein. Wir sehen nur das Negative in unserem Leben und bei anderen nur das Positive.

Überprüfen können wir unsere Bewertung mit zwei Fragen:

1. Entspricht mein Gedanke den Tatsachen? Ist es wirklich so, wie ich es sehe? Sehen es andere Menschen auch so?

Beispielsweise: Werde ich wirklich von niemandem geliebt? Geht es anderen wirklich in allen Bereichen besser? Bin ich immer nur Opfer? Ist die Welt wirklich immer ungerecht? Muss ich von jedem geliebt werden und wenn nicht, mich auf Dauer bemitleiden? Erleben alle anderen Menschen außer mir Gerechtigkeit in dieser Welt? Wurde mir Gerechtigkeit versprochen oder ist das nur mein Wunsch?

2. Und wenn es so ist, wie ich es sehe, ist es wirklich so, dass es mir nie mehr besser gehen kann?

TIPP 3Wir können unseren Blick ganz bewusst auf die Bereiche in unserem Leben lenken, die funktionieren:

  • In welchen Punkten bin ich zufrieden?
  • Wo habe ich meine Ziele erreicht?
  • Was ist bisher gut gelaufen in meinem Leben?
  • Wofür kann ich dankbar sein?

Ein Mann, der in wenigen Monaten stirbt, der nicht mehr gehen, aufstehen, sich waschen, alleine auf die Toilette gehen kann, sagt:

Ich gestatte mir ein Mal am Tag, mich richtig zu bemitleiden, wenn ich das brauche. Dann konzentriere ich mich auf all die guten Dinge, die es noch in meinem Leben gibt.  Es ist wunderbar, wegen der vielen Zeit, die mir gewährt wird, um mich zu verabschieden. Nicht jeder hat so viel Glück.

aus dem Buch: Dienstags bei Morrie von Mitch Albom

TIPP 4Seien Sie dankbar. Ihnen widerfährt nicht nur Schlechtes. Es gibt auch Positives. Lenken Sie Ihren Blick immer mal wieder darauf und seien dankbar dafür. Das holt Sie aus der Mitleidsfalle. Dankbarkeit ist ein positives Gefühl, das Sie sich jederzeit holen können. Fragen Sie Freunde, Bekannte, ja selbst Menschen, denen Sie zum ersten Mal begegnen, wofür diese dankbar sind. Sie werden erstaunt sein, wofür man alles dankbar sein kann.

TIPP 5Eine andere Möglichkeit ist, unseren Blick ganz gezielt in die Zukunft zu lenken: Wie möchte ich mich in der Zukunft fühlen? Was muss ich tun, damit es mir in Zukunft besser geht? Wer oder was könnte mir helfen, dass es mir wieder besser geht?

Je lebendiger wir uns ausmalen, dass es uns in Zukunft besser gehen wird, umso stärker sind wir motiviert, dafür etwas zu tun. Wir können uns aus der Lähmung des Selbstmitleids befreien und wieder aktiv unser Leben gestalten, statt uns als Opfer zu fühlen.

Das Leben geht weiter - the show must go on - ob mit uns oder ohne uns.

Seine eigenen Erfahrungen bedauern heißt, seine eigene Entwicklung aufhalten.
Oscar Wilde

Wenn wir das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, wenn wir uns vom Schicksal betrogen fühlen und mit ihm hadern, dann gibt es dafür nur eine Medizin: aktiv werden und dafür sorgen, dass sich unsere Lage zum Besseren ändert. Lamentieren ist Zeitverschwendung.

Hierzu ein starker Filmausschnitt aus: Der blutige Pfad Gottes 2

Werden Sie aktiv! Selbstmitleid bringt Sie nicht weiter.

 

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Achim schreibt am 17.01.2024

Meine Frau hat ihr Todesurteil in Form einer Diagnose erhalten. Die aufgeführten Tipps unter dem Motto "Stell Dich nicht so an!" wirken nur arrogant.


Ulf schreibt am 03.01.2024

Moin, hilfreich bin ich mit Sicherheit nicht. Es liest sich alles so nach dem Motto, wenn man/ ich / es nicht hinbekommt, ist man wohl selbst Schuld. Warum denkt man so dunkel. Man soll aufhören sich als Opfer fühlen. Wenn man die ganze Kindheit und über die beginnende Pubertät zwischen Rohrstock Bügel Schuhanzieher Hände von Mutter und Vater „wählen“ durfte, gibt es immer wieder Triggerpunkte im Alltag. Da bekomme ich das Gefühl nichts von dem zu können, was um mich herum scheinbar alle können - über meine sch… Gefühle zu sprechen. Und von meiner Frau bekomme ich in regelmäßigen Abständen zu verstehen, dass ich wieder mal vollkommen falsch zu liegen/ mich verhalten habe. Man nehme nur das Spiel „Tacheles“ , um mich herum lieben das Spiel alle einschl. Unsere Kinder. Wenn dieses Spiel ansteht, dreht mein Innerstes direkt durch. Schon wieder muss ich über mein Zustand etwas rauslassen, was ich nicht rauslassen will. Und für alle bin ich der Spielverderber egal, ob ich mitspiele oder sage ich bin raus… naja egal nun bin ich 60 und es ist auch egal. Ich hoffe meine Gefühle so gut ich kann zu verbergen, irgendwann wird die Welt mich vergessen haben.


Lothar schreibt am 29.09.2019

Ich bin Newsletter-Abonnent, aber ich bekomme diesen Newsletter seit geraumer Zeit trotzdem nicht.Meine Email-Adresse: lwhirsch@aol.com


Diggla San schreibt am 16.01.2019

Ja danke. Leider bin ich "verliebt", in meine Traurigkeit. Ihre Ansichten erscheinen mir sehr logisch- führen aber auch dazu, dass ich mich für noch missratener halte. Da ich ja jegliches mir zugefügtes Leid als verdient, willkommen heiße und mich für mein Selbstmitleid schon lange verachte.....Dennoch möchte ich Ihnen dafür danken, dass ich ihren Artikel zufällig finden konnte und Sie mich durch ihre Hilfe zum Reflektieren und etwas heraus aus dem Tief gesteuert haben.


Thomas Borniger schreibt am 02.10.2018

Vielen Dank.Was mir bei Ihren Analysen besonders auffällt,ist die klare und fast schon unterhaltsame Darstellungsweise.Ich werde ganz sicher weitere Informationen von Ihnen verfolgen.VIELE GRÜßE AUS DEM SÜDEN I


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 Warum schadet Selbstmitleid?
 Welche Folgen hat übertriebenes Selbstmitleid?
 Was tun bei Selbstmitleid?
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