Toleranz

Wie kann uns Toleranz helfen, in Belastungssituationen zu wachsen und gestärkt aus Krisen hervorzugehen? Dieser Beitrag gibt Hilfestellungen und zeigt 4 Schritte, die helfen innere Toleranz zu entwickeln und zu festigen.

Toleranz
© Tim Mossholder, unsplash.com

Toleranz ist die Basis für ein harmonisches Zusammenleben – in der Gesellschaft wie in unseren persönlichen Beziehungen. Gerade in Krisen wie der Corona-Pandemie erleben wir uns oft als hilflos, ausgeliefert und ohnmächtig. Wir müssen viel ertragen und tolerieren, ohne direkten Einfluss nehmen zu können.

Wann sind wir tolerant und was gibt uns diese Einstellung?

Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre sagte einmal:

"Die Hölle, das sind die anderen." 

Was er damit meinte ist: Die anderen berauben uns unserer Freiheit oder schränken sie zumindest ein. Dieses Gefühl kennt jeder. Dann haben wir ein Problem mit oder zumindest eine gewisse Skepsis gegenüber den Einstellungen der anderen. Oftmals ärgern wir uns auch über sie, sind wütend, oder wenden uns ab und ziehen uns zurück.

Andererseits: Wenn wir die Haltung der anderen ablehnen, können wir sie dennoch dulden, um Konflikte mit unserem Gegenüber zu vermeiden und ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Dann sind wir tolerant. Die Voraussetzung für Toleranz ist also zunächst, dass wir nicht einverstanden sind mit der aktuellen Situation, dem Verhalten oder Denken unseres Gegenübers. Wären wir das, wäre Toleranz nicht nötig, denn wir wären konform mit dem anderen.

Toleranz kommt vom lateinischen tolerare, was mit "ertragen" oder "erdulden" übersetzt werden kann. Wenn wir tolerant sind, ertragen wir eine Situation, das Verhalten, die Haltung oder die Meinung eines anderen Menschen ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Wir nehmen den Zustand so hin, wie er ist, und lassen andere so sein, wie sie sind. Das verlangt von uns eine Offenheit für Neues oder Fremdes, eine Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Meinungen und Betrachtungsweisen.

Mit einer toleranten Haltung ersparen wir uns viel Ärger und Verletzungen. Wenn wir ein gesundes Selbstwertgefühl haben, fühlen wir uns nicht bedroht von der Andersartigkeit und reagieren ohne Ängste.

Bedeutet Toleranz zugleich auch Akzeptanz?

Toleranz bedeutet nicht, seine eigenen Ansichten und Meinungen aufzugeben. Sie beruht immer auf der Freiwilligkeit, Menschen in ihrer Diversität anzuerkennen und zuzulassen. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Ein Beispiel: Wenn wir im Job ein kniffliges Problem lösen müssen, hat jeder von uns seine eigenen Handlungsstrategien. Der Pragmatiker stürzt sich vielleicht gleich in die praktische Arbeit, probiert verschiedenes aus, verwirft einiges und kommt dann durch das Trial and Error-Prinzip zu einer Lösung. Die andere Kollegin versucht vielleicht erst einmal zu analysieren, zu recherchieren und wählt einen eher theoretischen Ansatz, den sie erst im zweiten Schritt operationalisiert. Beide kommen zu einer guten Lösung und beide Wege kann man tolerieren, auch wenn keiner der beiden jemals für sich so vorgehen würde. Man muss den Ansatz des anderen nicht akzeptieren, das heißt, man muss ihn weder gut finden noch für sich selbst übernehmen, kann aber dennoch den Weg des anderen verstehen und respektieren.

Akzeptanz kann auf Toleranz folgen, aber das ist keine Notwendigkeit.

Seine persönliche Toleranzgrenze ziehen

  • Wieviel kann ich ertragen?
  • Was kann ich erdulden, um selbst keinen Schaden zu nehmen?
  • Kann ich vielleicht mehr tolerieren als ich es vermutet habe?

Es ist wichtig, sich selbst diese Fragen zu stellen und seine persönliche Toleranzgrenze zu ziehen. Diese ist bei jedem Menschen anders gelagert. Jeder hat seinen individuellen Punkt, an dem Schluss ist und die Grenze überschritten wird. Eine realistische Einschätzung dieser Grenze kann uns auch unsere eigenen Schwächen und Stärken erkennen lassen und uns helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen.

Wie kann ich durch tolerantes Verhalten wachsen und mich stärken?

Gerade die aktuelle Corona-Krise verlangt uns allen ein hohes Maß an Toleranz ab. In einer Krisensituation, die man kaum selbst beeinflussen kann, müssen wir uns immer wieder bewusst machen, was wir tolerieren und wieviel wir ertragen können, um unsere psychische Balance aufrecht zu erhalten. Dabei bietet ein tolerantes Verhalten auch Chancen. Wenn wir offen sind für Neues, bereit sind, über den Tellerrand hinauszublicken, und dem anderen das Gleiche zuzugestehen, dass wir auch für uns erwarten, steigern wir auch unsere innere Zufriedenheit und stärken unsere Resilienz.

4 Schritte für ein toleranteres Verhalten

Schritt 1: Schulen Sie Ihre Wahrnehmung und reflektieren Sie Ihr Verhalten!

Beginnen Sie bei sich selbst und bei Ihren Wahrnehmungen. Wie wirkt die Situation oder der andere auf Sie? Was können Sie aus eigener Kraft verändern? Und wo ist es klüger, Dinge zu akzeptieren, die nicht zu ändern sind, anstatt Ihre Energie an Stellen zu verschwenden, wo es sich nicht lohnt?

Reflektieren Sie immer wieder Ihr Verhalten. Wie sind Sie in der Vergangenheit mit Konflikten umgegangen? Haben Sie bereits früher erfolgreiche Strategien zur Konfliktbewältigung entwickelt, auf die Sie jetzt zurückgreifen können? Was können Sie jetzt besser machen?

Überprüfen Sie, ob Sie Vorbehalte oder Vorurteile haben. Wir alle verfallen zuweilen in ein Schubladendenken und haben das ein oder andere Vorurteil. Das ist ganz normal. Wichtig ist, es immer wieder zu hinterfragen und anzupassen. Nur wenn wir uns frei von Vorurteilen machen, können wir toleranter werden.

Ängste gegenüber Veränderungen oder Fremdem und Andersartigem sind zunächst urmenschenschliche Verhaltensweisen. Um jedoch ein tolerantes Verhalten zu entwickeln, müssen wir lernen, unsere Ablehnung zu analysieren und die Ängste zu überwinden. Wo liegen die tieferen Ursachen für die Angst? Wenn wir die Gründe für unsere Ängste erkannt haben, können wir sie auch überwinden.

Haben Sie Geduld mit sich. Toleranz zu entwickeln ist kein Sprint. Es bedarf viel Ausdauer und Energie, um sein Verhalten zu verändern. Also haben Sie Geduld mit sich und schauen Sie auf die kleinen Erfolge.

Freuen Sie sich über die Anerkennung für Ihr tolerantes Verhalten. Sie werden merken, dass auch Ihr Gegenüber Ihr tolerantes Verhalten wahrnimmt und positiv darauf reagiert. Das zu spüren, tut gut und wird sie auf Ihrem Weg zu mehr Toleranz bestärken.

Schritt 2: Versuchen Sie, sich in die Perspektive Ihres Gegenübers hineinzuversetzen!

Um ein toleranteres Verhalten zu erlangen, ist es nötig, sich mit der Situation und seinem Gegenüber auseinanderzusetzen – auf eine respektvolle Art und Weise. Auch wenn wir eine Meinung oder Verhaltensweise partout nicht nachvollziehen können oder vehement ablehnen, können wir sie doch zunächst einfach stehen lassen und ihr respektvoll begegnen. Wenn wir uns darauf einlassen, unser Gegenüber verstehen zu wollen und seine Perspektive einnehmen, werden viele Dinge klarer und besser nachvollziehbar.

Dem anderen wirklich zuzuhören, ist ein erster Schritt, um seine Lage und Ansichten besser zu verstehen. Wenn der andere die Chance bekommt, sich zu erklären, und wir unsere Fragen stellen können, erscheint vielleicht vieles in einem anderen Licht und wir können mehr Verständnis zeigen und toleranter werden.

Seien Sie offen und bereit für neue Impulse. Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß. Es gibt viele Grautöne dazwischen. Wenn wir das wahrnehmen und akzeptieren, bekommen wir einen realistischeren Blick auf die Situation und entwickeln mehr Toleranz.

Genauso wie wir geduldig mit uns selbst sein sollten, sollten wird sie auch unserem Gegenüber zugestehen. Lassen Sie den anderen ausreden und versuchen Sie, Aussagen, die Ihnen widersterben, nicht persönlich zu nehmen.

Schritt 3: Setzen Sie Ihre persönliche Toleranzgrenze!

Für jeden Menschen kommt der Punkt, an dem er das Verhalten, die Meinung oder die Ansichten unseres Gegenübers nicht mehr tolerieren kann und möchte. Achten Sie genau darauf, wann Ihre individuelle Toleranzgrenze überschritten wird. Wieviel können Sie ertragen, dass es Ihnen damit gut geht? Hören Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse und entwickeln Sie ein Gefühl für Ihre Belastbarkeit. So bleiben Sie sich treu und können ein gesundes Selbstwertgefühl erlangen.

Schritt 4: Erkennen Sie die Chancen und seien Sie offen für Neues!

Toleranz bietet die große Chance, sich selbst besser kennenzulernen und an der Krisensituation zu wachsen. Manchmal sogar über sich hinaus.

Wenn wir dem anderen genau das Gleiche zugestehen, das wir auch für uns erwarten, werden wir offener gegenüber neuen Situationen und anderen Meinungen. Vielleicht werden wir auch feststellen, dass wir eigentlich viel mehr ertragen können, als wir uns selbst zugetraut haben. Die Krisensituation stärkt dann unser Selbstvertrauen und fördert unser inneres Wachstum. Wenn wir unsere Komfortzone verlassen, „out of the box“ denken, entdecken wir neue Stärken an uns und gewinnen so mehr innere Zufriedenheit und Lebendfreude.

Wie hilfreich war der Beitrag für dich?
4.50 Sterne (215 Leserurteile)

Dein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar und helfe anderen mit deiner Erfahrung.

Bitte die zwei gleichen Bilder auswählen:

Michael schreibt am 04.04.2021

Ich finde die Lebenshilfen vom PAL Verlag sehr gut. In dem Bericht über Toleranz vermisse ich allerdings Ansätze, wie geht man z.B. mit den Maskenverweigerern und Querdenker um. Müssen wir die alle tolerieren? Denn viele sind doch Argumenten gar nicht zugänglich.


Inhalt des Beitrags   
Inhalt des Beitrags 
 Wann sind wir tolerant und was gibt uns diese Einstellung?
 Bedeutet Toleranz zugleich auch Akzeptanz?
 Seine persönliche Toleranzgrenze ziehen
 Wie kann ich durch tolerantes Verhalten wachsen und mich stärken?
 4 Schritte für ein toleranteres Verhalten
Weitere Beiträge
 Psychotest Ärger: Wie leicht bist du aus der Fassung zu bringen?
 Psychotest Egoismus: Bin ich selbstsüchtig?
 Psychotest Einsamkeit: Leide ich unter Einsamkeit?