Lerne die Welt so zu lieben, wie sie ist – #80

Im Alltagsstress ist es nicht immer leicht, die Welt positiv zu sehen. In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" erfährst du, wie du deine Dankbarkeit trainieren und deine Wertschätzung zu den Menschen und der Welt wiederfinden kannst.

Lerne die Welt so zu lieben, wie sie ist – #80
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

„If you can’t be with the one you love, love the one you’re with.“

„Wenn du nicht mit dem zusammen sein kannst, den du liebst, liebe den, mit dem du gerade zusammen bist.“

Das ist der zentrale Satz in einem wunderbaren Song der legendären Band Crosby, Stills, Nash & Young, den Stephen Stills 1970 komponierte. Ich spiele ihn manchmal den Menschen vor, die zu feste Vorstellungen davon haben, wie die Welt und die darin lebenden Mitmenschen zu sein hätten. Wie das Hier und Jetzt anders sein sollte. Menschen, die sich schwer tun, das zu lieben, was ist, weil sie glauben, nur das lieben zu können, was so ist, wie sie meinen, dass es sein müsste.

So findest du Dankbarkeit und Wertschätzung im Alltag

Der Song „Love the one you‘re with“ ist eine Aufforderung, in jeder menschlichen Begegnung sorgfältig, feinfühlig Ausschau zu halten nach dem Liebenswerten, nach all den hellen und guten Seiten, die jede Frau und jeder Mann in sich trägt. All das zu lieben, was dich umgibt: Tiere, Pflanzen, Flüsse, Berge, Landschaften, die Geschenke der Zivilisation und Technik, ja sogar das vermeintlich Schwierige. Kurzum: all das, was es in deinem Lebensraum gibt. 

Das wertzuschätzen, was da ist, führt natürlicherweise zu tief empfundener Dankbarkeit in dir. Dankbarkeit für das, was dir das Leben im Moment gerade schenkt.

Es scheint uns allen so viel leichter zu fallen, zu kritisieren, zu bemäkeln, darauf hinzuweisen, was fehlt, was anders, was besser sein müsste … Du kannst dich jedoch auch dazu entscheiden, für dich eine Übung daraus zu machen, ab jetzt auf eine neue, positivere, dankbarere Art und Weise umzugehen mit der Welt, die dich umgibt, und den Menschen, die darin leben.

Dankbarkeitstagebuch: So trainierst du Dankbarkeit und einen positiven Blick

Die beste Technik dazu ist diese: Schaue eine Zeit lang jeden Tag zurück auf das, was heute war. Beginne damit, jeden Abend einen wertschätzenden Rückblick zu halten. Lasse deinen Tag in Gedanken noch einmal Revue passieren. Richte den Scheinwerfer deiner Aufmerksamkeit noch einmal auf freudige, schöne Beobachtungen und Erfahrungen des vergangenen Tages, positive Alltagsbegegnungen mit vertrauten oder dir bisher fremden Menschen. 

Gewöhne dir an, jeden Abend ein, zwei, drei oder sogar fünf Tagesereignisse aufzuschreiben, über die du dich gefreut hast und für die du dankbar warst. Vergiss dabei nicht die kleinen, manchmal unscheinbaren Ereignisse, die einen unerwarteten Lichtstrahl in deinen vermeintlich grauen Alltag zu bringen vermochten.

Dabei helfen kann dir übrigens mein Dankbarkeitstagebuch.

Meine Erfahrungen mit der Dankbarkeit

Die Beobachtung vieler meiner Patientinnen und Patienten, die sich angewöhnt haben, jeden Abend fünf Tagesereignisse aufzuschreiben, über die sie sich gefreut haben und für die sie dankbar sind, deckt sich völlig mit meiner eigenen Erfahrung:

Seitdem ich abends aufschreibe, wofür ich heute dankbar bin, hat sich meine Wahrnehmung sehr verändert. Je länger ich das nun schon tue, umso mehr nehme ich an jedem darauffolgenden Tag wahr, wie viel es im Alltag gibt, wovon ich positiv berührt bin, worüber ich mich freuen kann, wofür ich dankbar sein kann. Was alles in dieser meiner Welt zu lieben und wertzuschätzen möglich ist. Die positive Selektivität meiner Wahrnehmung hat enorm zugenommen. Je länger ich abends aufschreibe, was gut war am vergangenen Tag, umso mehr fällt mir am nächsten Tag all das auf, was es Gutes und Liebenswertes gibt an den Menschen, denen ich begegne, und den Alltagssituationen, mit denen ich konfrontiert bin. Bei aller Klarheit und Bewusstheit über all die zerbrochenen Träume und all das, was es in dieser Welt noch zu verbessern gilt.

Und so wie Louis Armstrong im Jahr 1967, als er bereits sehr krank war und die Klinik kaum noch verlassen konnte, „What a wonderful world …“ gesungen hat, kannst auch du, durch deinen Entschluss, das zu lieben, was da ist, bei all dem, was da nicht ist, an jedem Tag des Jahres mehr und mehr Lebensfreude empfinden. 

Erfreue dich mit Louis Armstrong an jedem Baum, der grün ist, an jeder Rose, die für dich und mich blüht. Und notiere es dir heute Abend. Alles, was du notierst, hilft dir am nächsten Tag, noch mehr zu entdecken, was liebenswert ist und die Lebensfreude steigert.

Die positiven Folgen der Dankbarkeit

Manchen meiner sehr kritischen Patientinnen und Patienten, die von der Notwendigkeit überzeugt sind, dass nur der ständige Blick aufs Negative diese Welt verbessern kann, zeige ich die Ergebnisse der Dankbarkeitsforschung. Zusammen mit Christina von Puttkamer ist uns bei der Sichtung der vielen vorliegenden Studien zur Dankbarkeit Folgendes ins Netz gegangen:
Abends aufzuschreiben, was du an Schönem in dieser Welt wertzuschätzen in der Lage bist, führt zu diesen nachweisbaren Effekten: 

  • Zunahme an guter Laune
  • Zunahme an Optimismus
  • Zunahme an harmonischen sozialen Kontakten
  • Abnahme von Angst
  • Abnahme von Depression und Hoffnungslosigkeit
  • Abnahme von innerer Getriebenheit
  • Deutliche Senkung (23 Prozent) des Stresshormons Kortisol im Blut
  • Deutliche Reduktion (25 Prozent) des Fettkonsums
  • Verbesserung der Schlafqualität, vor allem bei Schmerzpatient:innen
  • Zunahme an Selbstvertrauen
  • Zunahme des Gefühls einer grundlegenden Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens

Die vermehrte Aufmerksamkeit aufs Positive führt dazu, dass wir das Gute in uns selbst, in unseren Mitmenschen und in der Welt immer mehr sehen und würdigen können.

Deine Entscheidung zu lieben, was hier und jetzt ist und wer hier und jetzt mit dir ist, wirkt über mehrere Mechanismen:
Dankbarkeit und Wertschätzung mindert und verhindert Negativität und Depressivität dadurch, dass man sich bewusst auf das Gute fokussiert, anstatt es als selbstverständlich hinzunehmen.

Dankbarkeit und Wertschätzung mindert und verhindert Angst dadurch, dass man sich bewusst auf alles aktuell Gute fokussiert anstatt auf eventuelle zukünftige Katastrophen.
Eine Haltung der Dankbarkeit und Wertschätzung erweitert den Horizont und ist konstruktiv.

Durch Dankbarkeit und Wertschätzung entstehen positive Gefühle. Diese erweitern die Gedanken und Handlungsmöglichkeiten einer Person. Lösungen können dadurch leichter gefunden werden.

Du siehst, es lohnt sich.

Und falls also hier und jetzt nicht all die Lieben um dich sind, die du gerne bei dir hättest – „love the ones you’re with“: Liebe die, die um dich sind. 
Falls hier und jetzt um dich herum manches nicht so ist, wie du es möchtest, halte Ausschau nach dem, was vorhanden und liebenswert ist. 

Und jetzt nimm einen Stift zur Hand, mit dem es sich angenehm schreiben lässt, und:

Leg los!

Ich wünsche dir jede Menge positive Veränderungen in deinem Leben.

Dein Gert Kowarowsky

Wie hilfreich war der Beitrag für dich?
4.81 Sterne (113 Leserurteile)

Dein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar und helfe anderen mit deiner Erfahrung.

Bitte die zwei gleichen Bilder auswählen:

Ellen schreibt am 05.02.2023

Das Buch ist wunderbar,habe es schon sehr lange.Seitdem bin ich für alles Dankbar was mich betrifft und für alles drum herum. DANKE


Inhalt des Beitrags   
Inhalt des Beitrags 
 So findest du Dankbarkeit und Wertschätzung im Alltag
 Dankbarkeitstagebuch: So trainierst du Dankbarkeit und einen positiven Blick
 Meine Erfahrungen mit der Dankbarkeit
 Die positiven Folgen der Dankbarkeit
Weitere Beiträge
 Folge 1: Selbstwahrnehmung
 Folge 2: Haltung
 Folge 3: Achtgeben auf seinen Körper