Du bist liebenswert genau so, wie du bist! – #84

Selbst kleine Ablehnungen in unserem Alltag können in uns emotionale Turbulenzen auslösen. In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" erfährst du, welche irrationalen Glaubenssätze dahinterstecken und wie du diese durch positive Glaubenssätze ersetzen kannst.

Du bist liebenswert genau so, wie du bist! – #84
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

„Ene, mene, mu - und raus bist du! Raus bist du noch lange nicht, sag mir erst, wie alt du bist …“

Solche Kinderreime lassen uns immer wieder wach werden für die tieferen Mechanismen unserer Psyche – hier für das tiefe Bedürfnis und oft auch die reale Erfahrung, nach einer Ablehnung wieder dazuzugehören. Und womöglich ein weiteres Mal abgelehnt zu werden, um dann doch wieder, im gleichen oder einem anderen Kontext, dazuzugehören.

Jeder trägt in sich die tiefe Angst, nicht liebenswert genug zu sein

Jeder Mensch fürchtet nichts mehr, als existenziell abgelehnt zu werden. Selbst kleinste Alltagsablehnungen können oft intensive emotionale Turbulenzen auslösen.

Wie ging es dir früher, wenn du nicht mitspielen durftest? Wenn du als Letzte oder als Letzter in die Mannschaft gewählt wurdest? Wahrscheinlich so, wie es den meisten meiner Patientinnen und Patienten geht, wenn sie Ablehnung erfahren. Die Ur-Idee irrationaler Grundüberzeugungen, ein ganz besonders tiefsitzender, ungesunder Glaubenssatz fängt an, in dir zu brodeln:

Ich bin nicht liebenswert!!!

Und die vermeintlich logische Begründung lässt dann nicht lange auf sich warten: „Wenn ich liebenswert wäre, würde immer und überall jede und jeder mit mir zusammen sein wollen!" Wirklich? Natürlich weißt du, dass das Quatsch ist. Und dennoch sitzt es tief. Viele formulieren deshalb: „Es fühlt sich aber so an, als ob es wahr wäre – mein Gefühl kann es nicht anders fühlen.“

Blicke wachsam darauf, wie du mit dir selbst sprichst

„Bleib wach!“, ermahne ich dann, „Bleib wach für die Art und Weise, wie du mit dir selbst sprichst!“ Wann immer du sagst: „Ich bin mir völlig sicher und dennoch habe ich das Gefühl, dass …“ oder „Ich weiß, aber es fühlt sich anders an …“ verwirrst du nur dich selbst.

Nimm zum Beispiel England. Du weißt, dass es in England richtig ist, links zu fahren, und dennoch wirst du das Gefühl haben, auf der falschen Seite unterwegs zu sein. Ja, du wirst es sogar real als körperliches Unbehagen fühlen. Und doch weißt du, dass es die richtige Straßenseite ist. Genau deshalb fährst du weiterhin links, auch wenn es sich komisch oder sogar falsch anfühlt. Zusammen mit diesem tiefsitzenden, anderslautenden Gefühl kommst du sicher an dein Ziel.

Genauso sicher darfst du über dich selbst sein:

Du bist liebenswert genau so, wie du bist!

Das ist die Wahrheit, auch wenn du wiederholt die Erfahrung machst, dass leider nicht alle dich immer lieben.

Die Erfahrung für jeden von uns besteht realerweise darin, dass wir immer wieder einmal abgelehnt werden. Dass andere uns manchmal nicht dabeihaben wollen, dass wir nicht eingeladen sind. Dass der Mensch, den wir lieben, unsere Liebe nicht in gleichem Maße erwidert oder uns sogar klar zu erkennen gibt, dass wir unerwünscht sind. Das sind Momente, in denen es nicht nur meinen Patientinnen und Patienten schwerfällt, weiterhin liebevoll mit sich selbst zu bleiben.

Selbst wenn es nicht so existenziell emotional darum geht, ob du geliebt wirst oder nicht: Manchmal genügt es schon, wenn eine deiner Ideen von den anderen nicht als so großartig erlebt wird, wie du sie selbst empfindest. Oder dass das, was du gesagt oder getan hast, von anderen abgelehnt oder einfach ignoriert wird.

Die eigentliche Katastrophe besteht jedoch nicht darin, dass uns unser Gegenüber ablehnt, sondern, dass wir uns selbst immer wieder ablehnen, oder noch nie wirklich zuverlässig liebend begleitet haben – in guten wie in schlechten Tagen.

Nicht die anderen, nicht der liebende Blick der anderen muss unbedingt 24/7 gewährleistet sein. Das In-sich-selbst-Ruhen, das In-sich-selbst-gegründet-Sein, die Selbst-Akzeptanz sind es, was wir 24 Stunden und sieben Tage die Woche brauchen. Das ist es, was wir uns selbst so schwer zu geben vermögen.

Lerne, dich selbst ohne Bewertung zu sehen

Offensichtlich erscheint es uns allen so viel leichter zu sein, alle Aufmerksamkeit auf unser Gegenüber zu richten, in der Hoffnung, endlich Erlösung von der inneren Qual des Ungenügendseins zu erlangen. Durch den liebenden, annehmenden, wertschätzenden Blick der oder des anderen hoffen wir auf Erlösung. 

In einer Situation, in der du Ablehnung erfährst, in der es dir besonders schwerfällt, dich selbst wertzuschätzen und dich für liebenswert zu halten, geht es darum, im wahrsten Sinne des Wortes dein Selbst-Bewusstsein zu stärken. Wenn die Selbstliebe eine so schwierige Angelegenheit ist, scheint das regelmäßige, bewertungsfreie, stille In-sich-Sein ein guter Anfang ….

Spüre dich, spüre dein Selbst – jenseits der Bewertung durch andere, jenseits der Bewertung durch dich selbst, jenseits jeglicher Bewertung!

Wenn du diesen Newsletter schon einige Zeit abonniert und meine Beiträge gelesen hast, wirst du dir vielleicht denken: „Ja, ja, ja, das hat er nun schon mehr als einmal ausgeführt. Ja, ich weiß, die oder der andere kann nur meine Handlungen kritisieren und nicht mich als die Person, die ich bin!“

Und dennoch passiert es im Alltag nicht selten, dass du dich als Person abgelehnt und abgewertet empfindest, auch wenn nur eine Idee von dir abgelehnt wird. Deshalb hier noch einmal meine Lieblingstextpillen, die ich gerne am Ende einer solchen Therapiestunde als Vitamine für die Seele in Form einer Postkarte mitgebe:

Wie immer auch meine Wortwahl ist – ich kann nur das Verhalten einer anderen Person kritisieren.
Wie immer auch die Wortwahl einer anderen Person sein mag – sie kann nur mein Verhalten kritisieren, niemals mich als Person.

Und:

Andere dürfen mit mir unzufrieden sein. Davon geht die Welt nicht unter.

Und:

Ich nehme alle Urteile über mich selbst zurück. Ich nehme alle Urteile zurück, die ich vielleicht über andere gefällt habe. Ich werde weich und milde mit mir und anderen. Ich zeige mir jeden Tag mehr, wie sehr ich mich schätze. Ich achte und ehre mich. Ich behandle mich mit höchstem Respekt und Güte. Ich bin freundlich zu mir, ganz unabhängig davon, ob andere sich mir gegenüber annehmend oder ablehnend verhalten.

Und:

Ich bin liebenswert genau so, wie ich bin.

Bleibe liebevoll mit dir – in guten wie in schlechten Tagen.

Dein

Gert Kowarowsky

Wie hilfreich war der Beitrag für dich?
4.77 Sterne (74 Leserurteile)

Dein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar und helfe anderen mit deiner Erfahrung.

Bitte die zwei gleichen Bilder auswählen:

Inhalt des Beitrags   
Inhalt des Beitrags 
 Jeder trägt in sich die tiefe Angst, nicht liebenswert genug zu sein
 Blicke wachsam darauf, wie du mit dir selbst sprichst
 Lerne, dich selbst ohne Bewertung zu sehen
Weitere Beiträge
 Folge 1: Selbstwahrnehmung
 Folge 2: Haltung
 Folge 3: Achtgeben auf seinen Körper