Warum ist es wichtig, verzeihen und vergeben zu können?

Kränkungen verzeihen und vergeben können ist wichtig für unser seelisches Wohlbefinden. Warum ist das so und wie können wir verzeihen lernen? Finden Sie in diesem Beitrag Hilfe und Tipps zum Verzeihen von Kränkungen und Verletzungen.

Warum ist es wichtig, verzeihen und vergeben zu können?
© Chrystal Shaw, unsplash.com

"Verzeih mir", unter diesem Titel flimmerte einige Zeit eine Show über den Bildschirm, die viel Kritik erntete, aber auch sehr viel Anklang bei den Zuschauern fand. Offensichtlich fühlen sich viele Menschen befreit, wenn sie sehen, wie andere sich versöhnen. Fast jeder Mensch hat irgendwo in seinem Innern ein paar "unerledigte Geschäfte".

In nahezu jedem von uns existiert eine schwarze Liste, in die wir Ereignisse eingetragen, die wir anderen oder uns nicht verzeihen können. Solange wir diese Liste nur ab und zu aufschlagen und uns dann wieder dem aktuellen Tagesgeschehen zuwenden, ist nicht allzuviel dagegen einzuwenden.

Viele Menschen befassen sich jedoch tagtäglich mit dieser Liste. Sie rufen sich immer wieder in Erinnerung, was der andere getan hat und dass sie ihm dies nicht verzeihen können. Sie quälen sich täglich damit, darüber zu grübeln: "Warum nur! Wie konnte er mir so etwas antun. Das kann ich ihm nicht vergeben." "So darf sie/er nicht mit mir umgehen." Es können kleine Alltäglichkeiten sein, die wir nicht verzeihen können: Jemand hat unseren Geburtstag vergessen, sich nicht für unser Geschenk bedankt, uns nicht eingeladen oder uns nicht gegrüßt.

Unsere Gedanken können aber auch um ganz grundsätzliche Ereignisse kreisen: die lieblose Erziehung, die uns unsere Eltern angedeihen ließen, die Bevorzugung des Geschwisterchens oder die Aufteilung des Erbes.

Welche Folgen hat es, wenn wir nicht vergeben?

Wir beschäftigen uns in Gedanken damit, dem anderen Schuld zuzuweisen, ihm sein Verhalten nachzutragen. Da jeder unserer Gedanken sich auf unseren Körper und unsere Gefühle auswirkt, bringen uns nachtragende Gedanken aus unserem inneren Gleichgewicht und können sogar Krankheiten verursachen. 

Unser Körper kann mit Erschöpfung, Anspannung, Bluthochdruck, Kopf- oder Magenschmerzen, Schlafstörungen. Wir fühlen Groll, Haß, Wut, Verbitterung, Verletzung, Enttäuschung, Ablehnung. Wir verspüren möglicherweise den Wunsch, es der anderen Person heimzuzahlen, uns zu rächen, ziehen uns von ihr oder von allen Menschen zurück. Wann immer wir einem anderen grollen oder mit dem Schicksal hadern, bestrafen wir uns selbst. Eine unangenehme Erfahrung, die bereits vorüber ist, erleben wir in der Phantasie dann aufs Neue.

Körper und deine Seele geraten aus dem Gleichgewicht. Verzeihen wir dem anderen stattdessen und lassen los, fühlen wir uns frei und unbeschwert. Durch das Abhaken fällt uns eine schwere Last von den Schultern. Deshalb: Make love, not war.

Warum tun wir uns schwer, anderen zu verzeihen?

Wir sagen uns: "Sein Verhalten hat mich so stark getroffen. Das kann ich ihm nicht verzeihen!"

Es ist eine Art Bestrafung, die wir damit bewirken wollen. Wenn wir jedoch genauer hinschauen, trifft uns die Bestrafung selbst. Wir finden keine Ruhe, haben schlaflose Nächte und sind angespannt. Wir vergiften und verpesten unser Leben durch den Groll und die Rachegedanken. Der andere, den wir bestrafen wollen, weiß meist gar nichts davon. Selbst wenn wir ihm aus dem Weg gehen und ihm dadurch unser Verletztsein zeigen, wird er meist lange nicht so be- und getroffen sein wie wir selbst.

Wenn du einem anderen Menschen vergibst, dann tust du dies deinetwegen und nicht, weil er es verdient.

– Doris Wolf

Wir beschäftigen uns damit, wie wir uns rächen, es ihm heimzahlen können. Wir berauben uns damit unserer Energie, die wir für Schöneres einsetzen könnten. Auch unser Stolz und der Glaube, unser Gesicht zu verlieren, stehen uns im Wege. Die Angst, der andere könnte sich ermutigt fühlen, sein Verhalten zu wiederholen, ist ein weiteres Motiv, das uns vom Verzeihen und Vergeben abhält.

Oder kommt Ihnen der Gedanke vertraut vor: Verzeihen heißt gutzuheißen, wie er sich verhalten hat?

Acht Tipps, wie Sie verzeihen und vergeben lernen können

TIPP 1: Rufen Sie sich das Ereignis, das Sie nicht verzeihen können, in Erinnerung. 

Stellen Sie sich die Frage: "Was habe ich dazu beigetragen?"

TIPP 2: Versetzen Sie sich in den anderen hinein.

Was könnte dazu geführt haben, dass er sich so verhalten hat? Haben Sie vielleicht etwas in den falschen Hals bekommen, etwas falsch verstanden? Gut möglich. Findes Sie es heraus.

TIPP 3: Denken Sie daran, dass Verzeihen nichts mit Schwäche zu tun hat.

Im Gegenteil, verzeihen ist ein Ausdruck von Stärke. Sie vergeben in erster Linie für sich und Ihr seelisches Wohlbefinden.

Es schadet einem nicht, wenn einem Unrecht geschieht;man muss es nur vergessen können.

– Konfuzius

TIPP 4: Sie müssen das Verhalten des anderen nicht gutheißen.

Es ist in Ordnung zu sagen: Mir gefällt es nicht. Es hat mir wehgetan. Ich akzeptiere, dass er sich mir gegenüber so verhalten hat.

TIPP 5: Überprüfen Sie noch einmal, ob aus der heutigen Sicht dieses eine Verhalten alle anderen positiven Erfahrungen, die Sie mit diesem Menschen gemacht haben, in Frage stellt.

TIPP 6: Wenn Sie möchten, dann sprechen Sie diesem Menschen gegenüber, von dem Sie sich gekränkt fühlen, nochmals Ihre Gefühle aus oder schreiben ihm einen Brief. 

Vielleicht genügt es Ihnen sogar, diesen Brief nur für sich zu schreiben – ohne ihn abzuschicken.

TIPP 7: Fragen Sie sich: Lohnt es sich, meine schlechten Gefühle tagelang mit mir herumzutragen, nur um recht zu behalten? 

Vermutlich nicht, wenn Sie ehrlich sind.

TIPP 8: Nehmen Sie ein Bild dieses Menschen und sagen Sie: "Ich bin bereit, Dir zu vergeben". 

Sie werden die ersten Male innerlich heftigen Widerstand verspüren, wenn Sie dies sagen. Wenn Sie die Worte öfter wiederholen, werden Sie mit der Zeit das Gefühl der Vergebung spüren. Gehen Sie diese acht kleinen Schritte. Es lohnt sich, Sie können inneren Frieden finden. Was hilft es Ihnen, stolz zu sein und recht zu behalten, wenn Ihr Körper und Ihre Seele leiden?

Wenn Sie vergeben und verzeihen, tun Sie in erster Linie sich selbst etwas Gutes.

Übrigens ...
Genauso wichtig ist es auch, Nachsicht mit seinen Fehlern und Schwächen zu haben und sich selbst seine Fehler verzeihen und vergeben zu können. Sonst leiden wir unter Schuldgefühlen, die uns den Schlaf rauben und unser seelisches Wohlbefinden stören.

Wie hilfreich war der Beitrag für dich?
4.40 Sterne (2150 Leserurteile)

Dein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar und helfe anderen mit deiner Erfahrung.

Bitte die zwei gleichen Bilder auswählen:

Christopher Benning schreibt am 06.05.2021

meine Frau hatte 18 Monate eine Affäre- ich hab ihr verzeihen, aber es ist schwerer, als ich gedacht habe. Nächtelang verfolgen mich "Filme" und Fragen wann, wo, wie.. Sie hat versichert, dass es eine Dummheit war, obwohl es schwer ist, zu verstehen wenn etwas 18 Monate gedauert hat.


Andori schreibt am 07.08.2020

Es ist unheimlich schwer zu verzeihen, wenn man liebt. Verzeihen bedeutet für mich eingestehen des Gegenübers, dass er was falsch gemacht hat. Wenn das nicht der Fall ist, fällt es einem umso schwerer. Man versucht es zu verdeutlichen doch stößt auf Grenzen, verzweifelt und ist wieder wütend/ sauer / traurig und fragt - wozu verzeihen ?


Christoph Hinzelmann schreibt am 13.06.2020

Warum verzeihen, wenn ich doch nicht schuld bin?Diese Frage ist letztlich nicht wichtig. Es gibt nur zwei Alternativen:1. Ein kleiner Satz, wie etwa: "Ich möchte mich bei dir entschuldigen, dass ich deine Gefühle verletzt habe."2. Ich ärgere mich den ganzen Tag mit diesem Problem und hab vielleicht sogar Schlafprobleme.


Heidrun schreibt am 03.06.2020

Ich möchte jemandem einen Übergriffe gerne verzeihen und kann es nicht. Beim Gedanken an die Person schüttelt es mich noch immer vor Ekel. Ich würde lieber sterben als mit ihm Sex zu haben. Es ist der "Partner" meiner Zwillingsschwester. Die ganze Familie hält zu ihm und hält mich für wahnsinnig. Es tut mir sehr weh.


*~CoCoNuTeLLa~* schreibt am 07.03.2020

Beim Vergeben ist immer mindestens eine Person beteiligt, beim Loslassen hingegen konzentriert man sich automatisch nur auf sich selbst. Also es geht darum, dass man die Vergangenheit so akzeptiert, wie sie gewesen ist, wieder nach vorne schaut und das gegenwärtige Leben nicht mehr durch die belastenden Gefühle der Vergangenheit beeinträchtigt wird. Es bringt auch nichts, sich zum Vergeben zu zwingen. Eher ist man erst zur Vergebung bereit, wenn man in der persönlichen Entwicklung vorangeschritten oder die Zeit dafür gekommen ist. Das geschieht dann von selbst. Von Tipp 1 in diesem Artikel würde ich unbedingt die Finger lassen, denn darüber nachzudenken, welchen Anteil man selbst zum Ereignis beigetragen hat, triggert eher eigene Schuldgefühle und Selbstvorwürfe, das kann man nicht auch noch brauchen, wenn man nicht vergeben kann. Generell ist es kontraproduktiv, einen Übeltäter für eine Situation zu suchen, das erschwert das Loslassen und die Vergebung.


Inhalt des Beitrags   
Inhalt des Beitrags 
 Welche Folgen hat es, wenn wir nicht vergeben?
 Warum tun wir uns schwer, anderen zu verzeihen?
 Acht Tipps, wie Sie verzeihen und vergeben lernen können
Weitere Beiträge
 Psychotest Belastbarkeit und Resilienz: Wie belastbar bin ich?
 Psychotest Kränkung: Bin ich schnell gekränkt und zu zart besaitet?
 Psychotest Selbstvertrauen: Wie stark ist mein Selbstvertrauen?