Hilfe für Selbstmordgefährdete und Angehörige: Was sind die Warnsignale für einen Suizid? Was können und müssen Sie tun, wenn Menschen Selbstmordgedanken äußern?
Wenn Menschen sehr verzweifelt und ohne Hoffnung sind, dann denken sie daran, sich das Leben zu nehmen. So kommt es zu etwa 10.000 Suiziden im Jahr und etwa 150.000 Suizidversuchen. Immer wenn ein Prominenter, wie etwa der Torwart Robert Enke, sich das Leben nimmt, wird in den Medien ausführlich über das Thema Selbsttötung oder Suizid geschrieben. Es hat dann den Anschein, als ob das ein Einzelfall wäre. Das ist jedoch nicht so.
In Deutschland sollen mehr Menschen durch Selbsttötung sterben als im Straßenverkehr. Vielleicht geht es Ihnen auch wie mir: Wenn ich mich in meinem Bekannten- und Freundeskreis umschaue, dann haben sich in den letzten Jahren einige Freunde und Bekannte das Leben genommen. Zum Thema Suizid gibt es viele Unsicherheiten und falsche Vorstellungen, die wir uns zunächst anschauen wollen.
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„Wer über Freitod spricht, wird ihn nicht verüben.“
Diese Aussage trifft nicht zu. Viele Menschen sprechen direkt oder verdeckt über ihre Absichten, bevor sie ihren Vorsatz in die Tat umsetzen. Eine indirekte Botschaft könnte z.B. sein, dass keiner ihn vermissen würde oder es anderen ohne ihn besser gehen würde. Jede Andeutung sollte ernst genommen werden, denn dahinter verbirgt sich ein Problem des Betroffenen.
„Wer an Selbsttötung denkt, den kann man nicht davon abhalten.“
Diese Aussage trifft nicht zu. Wer an Suizid denkt, der sieht gewöhnlich keine Lösung für seine Probleme. Er sieht sich in einer ausweglosen und hoffnungslosen Lage. Er sieht keinen Sinn mehr im Leben und sieht das Leben für nicht mehr lebenswert. Dabei haben Betroffene häufig einen Tunnelblick, durch den sie Lösungsmöglichkeiten aus ihrer scheinbar ausweglosen Situation übersehen. Eine vertraute oder auch neutrale Person kann helfen, neue Perspektiven zu eröffnen.
„Wenn ich eine Person frage, ob sie an Selbstmord denkt, dann bringe ich sie auf die Idee, ihn auszuführen.“
Denkt ein Mensch nicht oder nur vorübergehend an Selbstmord, dann wird er auch nicht auf dieses Thema anspringen, wenn andere Menschen ihn danach fragen. Beschäftigt er sich jedoch intensiv mit Selbstmordgedanken, kann eine solche Frage ihm die Chance geben, über seine Probleme zu sprechen. Außerdem zeigt ihm die Frage, dass man sich um ihn sorgt und sich in seine Lage hineinversetzt.
„Selbstmord verüben nur Menschen, die Aufmerksamkeit haben wollen. An den Freitod denken nur geisteskranke Menschen.“
Es gibt viele Gründe, weshalb ein Mensch lebensmüde ist und sich das Leben nimmt. Das Bedürfnis nach Zuwendung und Aufmerksamkeit ist nur ein Motiv. Häufig sehen Menschen keinen Ausweg aus einer finanziellen Lage, aus Konflikten mit der Umwelt oder aus einer chronischen körperlichen oder seelischen Erkrankung. Sie fühlen sich überfordert, den Problemen standzuhalten bzw. glauben, nie mehr eine Verbesserung bewirken zu können. Der Selbstmord ist also keine Erkrankung, sondern der Versuch der Lösung einer scheinbar ausweglosen und hoffnungslosen Situation.
„Wer schon einen Selbstmordversuch unternommen hat, der meint es auch beim nächsten Mal nicht ernst.“
Diese Aussage trifft nicht zu. Selbst wenn sich hinter dem ersten Selbstmordversuch lediglich das Bedürfnis nach Zuwendung verborgen hat, kann man nicht davon ausgehen, dass es dieses Mal auch wieder so ist. Außerdem zeigt der Suizidversuch, dass der Betroffene unglücklich mit seinem Leben ist und keinen anderen Weg sieht, sein Bedürfnis nach Liebe zu erfüllen, als mit seinem Leben zu drohen. Er hat also ein großes Problem, das wir ernst nehmen müssen.
Wer einen Menschen durch Selbsttötung verloren hat, der geht meist in Gedanken immer wieder alle Situationen mit dem Betroffenen auf der Suche nach Hinweisen auf die Tat durch. Es quält ihn die Frage: „Woran und wann hätte ich erkennen können und müssen, dass der Betroffene Selbstmord begehen will?“
Auch als Psychotherapeut steht man oft vor der Frage, ob ein Klient so stark selbstmordgefährdet ist, dass eine Klinikeinweisung erforderlich ist. Wann handelt es sich nur um vorübergehende Gedanken, wann sind es anhaltende Gedanken, die in konkrete Pläne münden, und wann werden diese Pläne in die Tat umgesetzt? Das sind Fragen, die man als Außenstehender nie mit Sicherheit beantworten kann. Selbstmordgedanken kennen viele Menschen.
Wenn uns eine Situation als sehr schwierig oder ausweglos erscheint, wenn wir uns überfordert fühlen, vom Schicksal bestraft sehen oder kaum noch einen Sinn in unserem Leben erkennen können, dann können sich Gedanken an Selbstmord einschleichen. Für gewöhnlich tauchen diese Gedanken nur für kurze Zeit auf und dann können wir uns wieder zum Weiterleben motivieren. Es gibt jedoch einige Hinweise. Schauen wir uns diese an.
Zwar gibt es keine hundert-prozentig sicheren Anzeichen dafür, dass ein Mensch sich töten möchte. Folgende Denk- und Verhaltensweisen können jedoch Hinweise für einen möglichen Suizid sein:
Wenn Sie schon längere Zeit Selbstmordgedanken haben und lebensmüde sind, weil Sie mit dem Leben nicht mehr fertig werden, dann ist es eine ganz besondere Leistung, dass Sie diesen Text lesen. Es zeigt, dass noch ein kleiner Funke Hoffnung in Ihnen lebt. Sie zweifeln noch, ob Ihr Vorsatz, sich das Leben zu nehmen, wirklich die einzige Möglichkeit ist.
Kein Mensch kann Ihnen verbieten, sich das Leben zu nehmen. Es wäre nur schade, wenn Sie sich für einen Selbstmord entscheiden würden, ohne vorab geklärt zu haben, ob es für Sie und Ihre Situation nicht doch einen Ausweg gibt. Im Augenblick sind Sie in einer Lage, in der Ihre Vorstellungen von einem lebenswerten Leben für Sie nicht erfüllt sind. Sie haben keinen Lebenswillen mehr.
Möglicherweise fehlt es Ihnen an Menschen, die Sie lieben, an einem Arbeitsplatz, der Sie befriedigt, an finanzieller oder materieller Sicherheit, Gesundheit und/oder Sie sehen keinen Sinn im Weiterleben. Vielleicht haben Sie auch einen inneren Konflikt, wissen nicht, wie Sie sich entscheiden sollen, ohne großen Schaden für sich oder andere anzurichten. Oder aber Sie glauben, eine schwere Schuld auf sich geladen zu haben, die Sie nur durch Ihren Tod sühnen können. Vielleicht sehen Sie nur in Ihrem Freitod die Möglichkeit, andere Menschen nicht mehr zur Last zu fallen oder die Ungerechtigkeiten der Welt nicht mehr ertragen zu müssen. Möglicherweise zweifeln Sie schon Ihr ganzes Leben daran, ein Recht auf Leben und Liebe zu haben.
Wahrscheinlich haben Sie schon lange Zeit versucht, den „Wagen herumzureißen“. Nun haben Sie den Eindruck, am Ende Ihrer Kräfte zu sein. Sie sehen keinen Ausweg mehr und wollen anderen vielleicht nicht mehr zur Last fallen. In der Selbsttötung sehen Sie den einzigen Weg, endlich Ruhe und inneren Frieden zu finden.
Menschen, die den Versuch, sich das Leben zu nehmen, überlebt haben, berichten, dass sie lediglich dem Kummer und Leid entrinnen wollten. Sie waren erleichtert und dankbar, noch zu leben. Sie sagen:
Ich als Therapeutin kann Ihnen keine Lösung für Ihre Probleme vorschlagen, da ich Sie nicht kenne. Doch eines weiß ich gewiss: Jeder, der sich in einer Krise befindet, tut sich schwer, ALLE Lösungswege zu erkennen. Es ist, wie wenn man auf einer Blumenwiese nach vierblättrigen Kleeblättern Ausschau hält und dabei alle anderen Blumen nicht wahrnimmt.
Wenn man verzweifelt ist, sich ungeliebt und hilflos fühlt, dann ist man immun gegen alles, was den eigenen Gefühlen und Gedanken widerspricht. Man begegnet allen Vorschlägen mit „Ja, aber das geht bei mir nicht…, Ja, aber das kann ich nicht…“ – so, als ob man anderen beweisen wolle, dass das Leben nicht mehr lebenswert ist.
Je mehr man sich mit dem Freitod beschäftigt, desto mehr verschwinden alle anderen Wege aus der Wahrnehmung.
Mein Vorschlag für Sie ist deshalb: Geben Sie sich nochmals die Chance, Ihre Lage zu prüfen. Nutzen Sie die Möglichkeit, zusammen mit einem Psychotherapeuten oder Berater alle möglichen Wege ins Auge zu fassen.
Der Notausgang, aus dem Leben zu scheiden, steht Ihnen jederzeit offen.
Ihre Entscheidung für den Tod sollte ganz eindeutig und sicher sein, denn Sie können diese nicht rückgängig machen. Es geht in einer Therapie nicht darum, dass der Psychotherapeut Ihnen den Selbstmord „ausreden“ möchte. Erstens kann er dies nicht und zweitens ist es auch nicht sein Ziel. Er möchte mit Ihnen zusammen lediglich alle Möglichkeiten betrachten.
Schlimmstenfalls dauert Ihre Leidenszeit noch etwas länger und Sie verlieren Zeit bis zur Umsetzung Ihres Vorsatzes, wenn Sie sich auf therapeutische Gespräche einlassen. Bestenfalls gewinnen Sie ein Leben zurück, das für Sie lebenswert ist.
Der Schmerz, den andere verspüren, wenn Sie aus dem Leben scheiden, ist mindestens so groß wie Ihr Schmerz.
Die Erfahrung, dass es auch schöne Momente gibt, dass es schon mal besser war und deshalb auch wieder besser werden kann.
Auf die Wolken und den Regen folgt Sonnenschein. Auf die Nacht folgt der Tag. Auf Depressionen folgen wieder gute Tage.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, ganz sicher gehen zu wollen, dass Sie den richtigen Schritt wählen, dann finden Sie auf den folgenden Seiten Ansprechpartner.
Auch wenn Sie vielleicht schon einmal eine Therapie gemacht haben oder sich ohne Erfolg haben beraten lassen, geben Sie sich nochmals eine Chance. Es ist menschlich, dass man nicht jedem Therapeuten vertrauen kann. Und Therapeuten geben aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung und ihres therapeutischen Hintergrunds auch unterschiedliche Hilfestellungen. Die Tatsache, dass Sie sich jetzt Unterstützung holen, bedeutet nicht, dass Sie in irgendeiner Form versagt haben. Sie überprüfen lediglich noch einmal Ihren Blickwinkel.
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So ein dummes Gequatsche. Warum haben alle Menschen Angst vor dem Sterben?
Warum verwenden Sie in ihrem Beitrag ständig das Wort "Selbstmord" ?
Ich hab mich auch verstanden gefühlt.
Unsere äteste Tochter wohnt im Haus nebenan.
Sie bekommt unser Beziehunhsdrama leider oft mit. Aber auch in ihrer Kindheit haben beide Töchter leider mehr mitbekommen als ich dachte. Mir tut es so weh, was wir ihnen angetan haben.
Jedenfalls hat sie uns am Wochenende aufgefordert eine Lösung zu finden und ihnen diese mitzuteilen. Sonst kommt sie und ihre Familie nicht mehr. Ihre jüngere Schwester und Familie wird genauso reagieren.
Vernünftig reden geht zwischem mir und meinem Mann nicht. Meine Meinung war noch nie gefragt und wird nun auch völlig ignoriert. Ich möchte auch nicht mehr ständigen Erniedrigungen ausgesetzt sein und nur angebrüllt werden.
Das sich was ändern muss ist daher auch meine Meinung. Aber auch das ist für meinen Mann schon ein Problem, weil ich bisher immer zu Kreuze gekrochen bin und eingelenkt habe nach Streitigkeiten.
Meine Verzweiflung ist so groß, weil ich Angst habe meine Kinder brechen den Kontakt komplett ab und ich verliere sie. Damit könnte ich nicht leben.
Meinem Mann scheint das völlig egal zu sein. Seine ganz rabiate Entscheidung steht fest, wobei ich überhaupt nicht gefragt werde. Ich hab das hinzunehmen, wie er es jetzt entscheidet und hoffe, dass ich genügend Kraft habe nicht aufzugeben bzw. aufgeben muss.
Das Leben ist wie das Leben in einem Ameisenhaufen. Wenn mal eine Ameise weg ist denkt am nächsten Morgen oder irgendwann auch keine Ameise mehr drüber nach.
Ich fand die Zeilen, die sich direkt an selbstmordgefährdete Menschen richten, sehr schön und ich habe mich hier auch ernst genommen gefühlt. Dass einem die Freiheit gelassen wird, es am Ende trotzdem zu machen und dass man es einem auch nicht ausreden möchte, aber eben mit dem Aspekt, dass man als Betroffener oft eine Art Tunnelblick hat und manche Perspektiven gar nicht sieht. Danke an die Autorin für diese einfühlsamen Zeilen!