Was können Angehörige für sich selbst tun?

Hilfen für Angehörige psychisch und körperlich kranker Menschen. 8 Tipps, was Sie für sich selbst tun können erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was können Angehörige für sich selbst tun?
© Sixteen Miles Out, unsplash.com

Die Pflege eines Angehörigen kann für den Pflegenden eine große körperliche und seelische Belastung sein. Hinzu kommen Veränderungen im Tagesablauf, soziale Einschränkungen bis hin zur Aufgabe persönlicher Lebensziele. Deshalb ist es wichtig, dass Pflegende gut für sich selbst sorgen, auf ihre psychische & körperliche Gesundheit achten und sich persönliche Freiräume bewahren.

Schauen wir uns die Ratgeber-Literatur und Seiten im Internet an, dann müssen wir feststellen, dass die Angehörigen von Menschen mit psychischen und/oder körperlichen Problemen nur wenig berücksichtigt werden.

Fast jeder, der seelische Probleme hat, kommt mit anderen Menschen in Kontakt - sei es mit seinem Partner, den Kindern, den Eltern, seinen Arbeitskollegen oder Freunden. Tritt ein seelisches Problem nur kurze Zeit und vorübergehend auf, dann kann das Umfeld sich noch relativ leicht damit arrangieren.

Bei chronischen oder wiederkehrenden Erkrankungen ist die seelische Belastung häuslich pflegender Angehöriger sehr groß.

Jede seelische Störung (z.B. Essstörung, Angsterkrankung, Depression, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, Alzheimer-Erkrankung, Trauer, Psychose, Zwangserkrankung) stellt die Angehörigen auch vor ganz spezielle Probleme.

Auch chronische körperliche Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes können eine Herausforderung sowohl für den Betroffenen als auch für die Angehörigen darstellen.

Ich möchte hier nicht auf den Umgang mit jeder einzelnen Erkrankung sondern auf eher allgemeine Probleme eingehen, die Sie als Angehöriger in der Pflege eines psychisch oder körperlich kranken Familienmitglieds haben können.

Mit welchen Reaktionen müssen Sie als angehörige Person rechnen?

Ebenso wie der Betroffene erleben Sie als Angehöriger ganz unterschiedliche Gefühlsreaktionen im Verlauf der Erkrankung. Außerdem gibt es Schwankungen von Tag zu Tag, abhängig von Ihrer körperlichen und seelischen Verfassung.

Redaktion 1:Verleugnung und Nicht-Wahr-Haben-Wollen

Es mag für Sie zu schmerzhaft sein, zu erkennen, dass Ihr Angehöriger erkrankt ist. Um diesen Schmerz zu vermeiden, reden Sie sich z.B. ein, dass sich alle täuschen, eine falsche Diagnose gestellt wurde, Ihr Partner nicht krank ist oder dass es nicht so schlimm ist.

Redaktion 2:Betroffenheit, Trauer und Mitleid

Sie sind traurig darüber, dass Ihr Angehöriger erkrankt ist, so leidet und solche Schwierigkeiten im Alltag hat. Sie trauern auch darum, dass er vieles nicht mehr mit Ihnen unternehmen kann und sich Ihr Alltag vollkommen verändert.

Vielleicht geht Ihr Angehöriger nicht mehr aus dem Haus, liegt nur noch im Bett oder verliert seine Anstellung. Vielleicht kreisen die Themen nur noch um seine Erkrankung, es gibt kein Lachen und keine Unbeschwertheit mehr.

Redaktion 3:Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeitsgefühle

Sie versuchen mit all Ihren Kräften Ihrem Angehörigen zu helfen. Möglicherweise nimmt Ihr Angehöriger nichts an und verändert sich nicht. Oder aber die Ärzte sagen, es sei aussichtslos, und Sie verlieren die Hoffnung auf eine Verbesserung.

Redaktion 4:Verunsicherung und Angst

Sie haben Angst, was Sie und Ihren Angehörigen an negativen Veränderungen erwartet. Sie machen sich Sorgen um die Zukunft.

Redaktion 5:Enttäuschung und Wut

Wenn Ihr Angehöriger Ihre Ratschläge und Hilfe nicht annimmt, werden Sie ungeduldig. Vielleicht haben Sie den Eindruck, er wolle gar nicht gesund werden oder er bemühe sich nicht genügend. Vielleicht haben Sie den Eindruck, er verheimliche Ihnen etwas.

Vielleicht haben Sie den Eindruck, ihm fehle die Krankheitseinsicht. Vielleicht sind Sie es müde, mit anzuschauen, wie er sich zugrunde richtet, nur noch weint oder immer nur über seine Krankheit spricht. Vielleicht hat sich Ihr Angehöriger stark verändert, ist oft gereizt und aggressiv und Sie sehen sich als Blitzableiter.

Redaktion 6:Seelische Erschöpfung und Kraftlosigkeit

Vor lauter Pflichtgefühl und Bemühen um eine Veränderung des Angehörigen und die Sorge um ihn, vernachlässigen Sie Ihre Bedürfnisse und Ihr seelisches Wohlbefinden. Sie fühlen sich ausgelaugt und auch in Ihren Bemühungen nicht genügend anerkannt.

Redaktion 7:Körperliche Erschöpfung und körperliche Beschwerden

Ihr Körper reagiert mit Schlaflosigkeit, Anspannung, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Herzstechen, Appetitlosigkeit oder Heißhunger usw. Sie sind unkonzentriert und Ihre Leistungsfähigkeit lässt nach.

Redaktion 8:Schuldgefühle

Vielleicht werfen Sie sich vor, an der Erkrankung schuld oder mit schuld zu sein. Vielleicht machen Sie sich auch Schuldgefühle, weil Sie sich beschuldigen, zu wenig für den Angehörigen zu tun, zu wenig Verständnis für ihn aufzubringen, zu selten da zu sein, zu ungeduldig zu sein. Oder aber Sie werfen sich vor, dass es Ihnen gut geht, wo es ihm so schlecht geht.

8 Tipps, was Sie für sich selbst tun können

Tipp 1:Akzeptieren Sie Ihre Gefühle für den Augenblick.

Sie sind kein Übermensch und kein Therapeut. Es ist normal, dass Sie Ihrem Angehörigen gegenüber nicht immer hilfreich und angemessen reagieren. Sie haben ebenso wie er gute und schlechte Tage. Statt sich mit Schuldgefühlen zu quälen, suchen Sie nach den Ursachen und wie Sie diese in der Zukunft beheben können.

Tipp 2:Informieren Sie sich über die Erkrankung.

Nutzen Sie Berichte von Betroffenen und die Ratgeber-Literatur für Betroffene. Je mehr Sie über die Erkrankung, deren Ursache und die ärztliche Diagnose wissen, umso besser können Sie damit umgehen.

Raten Sie Ihrem Angehörigen zu einem Besuch beim Facharzt oder Psychotherapeuten. Dort können Sie besprechen, wie Sie sich am besten dem Angehörigen gegenüber verhalten sollen.

Tipp 3:Nehmen Sie sich eine Auszeit.

Wenn Sie sich Tag und Nacht nur mit dem Betroffenen umgeben, raubt dies Ihre Kräfte. Suchen Sie deshalb aktiv den Kontakt zu Menschen, mit denen Sie unbeschwert lachen können und sich nicht immer überlegen müssen, wie Sie sich am besten verhalten sollen.

Sorgen Sie für ausreichend Bewegung, um die Anspannung abzubauen. Erlernen Sie ein Entspannungsverfahren. Planen Sie sich Zeit für Ihr Hobby und Ihre Freunde ein. Das ist nicht egoistisch, sondern absolut notwendig, um Ihre Kräfte zu erhalten. Sie brauchen das Gefühl, nicht nur zu geben, sondern auch etwas zu bekommen.

Tipp 4:Delegieren Sie die Aufgaben.

Selbst wenn Ihr Angehöriger nicht allein sein kann, haben Sie das Recht, sich Freiräume zu schaffen. Suchen Sie nach Menschen, die Sie entlasten können. Wenn Ihr Angehöriger nicht in Lebensgefahr ist und noch klar denken kann, können Sie ihn sicher auch stundenweise alleine lassen.

Tipp 5:Nehmen Sie Kontakt zu einer Angehörigen-Selbsthilfegruppe auf.

Zu wissen, dass es anderen Angehörigen ähnlich geht, entlastet. Außerdem können Sie in einer Gruppe viele hilfreiche praktische Tipps bekommen. Auch in einem Forum können Sie sich mit anderen Angehörigen und Patienten austauschen und so nützliche Hilfestellungen und seelisch-moralische Unterstützung erhalten.

Tipp 6:Geben Sie die Verantwortung ab.

Erinnern Sie sich daran, dass nur Ihr Angehöriger selbst seine seelischen Probleme lösen kann. Sie können ihn lediglich unterstützen. Sie können ihn ermutigen und mit ihm konkrete Schritte besprechen. Er muss diese Hilfestellungen jedoch annehmen und umsetzen.

Tipp 7:Holen Sie sich therapeutische Unterstützung.

Wenn Sie bemerken, dass Sie sich überfordert fühlen, erschöpft und depressiv werden, körperliche Beschwerden entwickeln oder in eine Sucht abgleiten, dann nehmen Sie Kontakt zu einem Psychotherapeuten oder einer Selbsthilfegruppe für Angehörige auf. In einer Therapie können Sie lernen, besser mit der emotionalen Belastung umzugehen.

Literatur für pflegende Angehörige

  • Epstein Rosen, Laura / Francisco Amador, Xavier (2002) Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv ist. Wie man Angehörigen oder Freunden hilft. - Rowohlt Taschenbuch Verlag
  • Karin Schels, Denk auch an dich - Wie pflegende Angehörige den Alltag gelassen meistern - E. Reinhardt Verlag
  • Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (Hg.) (2001) Mit psychisch Kranken leben. Rat und Hilfe für Angehörige - Psychiatrie Verlag, Bonn
  • Bei PAL Verlag erschienen: Durch die Krise begleiten von Maja Günther und Dr. Andrea Sterr

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Annett schreibt am 01.07.2018

Ich pflege meinen Mann seit 18 Jahren. Er hat wegen multipler Erkrankungen Pflegegrad 5, Rollstuhlpatient. Die Kooperation mit den Ärzten verlief toll, sodass mein Mann noch leben kann, wenn auch unter sehr erschwerten Bedingungen. Nun habe ich feststellen müssen, dass ich selber nach so vielen aufopferungsvollen Pflegejahren und Stress an Krebs erkrankt bin. Was kann ich tun? Gesellschaftlicher Rückzug ist bereits seit Jahren in unserer Umgebung angesagt. Ich habe eigentlich niemanden mehr, der mir bei der Schwere der Pflege helfen möchte. Es denkt auch keiner daran, dass es ihm oder ihr selbst mal so gehen könnte. Man steht allein, ist einsam und selber krank. In dieser Situation werden Entlastungskräfte zusätzlich zu Belastungskräften. Sie dürfen, können und wollen vieles nicht aus Versicherungsgründen und man hat somit eine zusätzliche Belastung, statt Entlastung.


Ursula schreibt am 22.01.2018

Sehr geehrte Frau Doktor, danke für Ihren blog. Gibt es eine Selbsthilfegruppe in Düsseldorf für erwachsene Angehörige von chronisch kranken Eltern? Vielen Dank für Ihre Antwort.Mit freundlichen GrüßenUrsula


Ingebourg schreibt am 24.09.2017

Mein Mann und ich sind nun 48 Jahre verheiratet, im Jahr 2010 hat seine Alzheimererkrankung begonnen. Die Diagnose wurde aber erst 2014, erstellt. Jetzt ist er im Pflegegrad 4 (St.2) eingestuft worden und ich bin am Ende meiner Kraft. Er lässt sich nicht helfen, blockt alles ab indem er wegläuft. Auch wenn ich durch Lehrgänge darauf vorbereitet bin und damit umgehen kann, bin ich ausschließlich allein auf mich gestellt. Die Einsamkeit macht mich krank.


ahmet schreibt am 06.09.2017

ich pflege meine mama und bin bei ihr angemeldet . dadurch bekommen wir pflege stufe 2 vom staat.meine frage ist was wenn ich jetzt heirate und meine anmeldung 40 km weiter weg mache ? gibt es probleme da ich dann umgezogen bin mit der versicherung . bekommen wir weiter hin die pflege kosten . ich werde sie ja weiter pflegen ?


Anna schreibt am 16.07.2017

Ich lebe seit 22 Jahren mit meinem Partner zusammen er hat nun Alzheimer und ich bin alleine für alles zuständig er ist nur noch ungerecht gereitzt ich arbeite nicht mehr weil er nicht allein sein will geschieden ist er nicht und die Ehefrau hat es nur noch darauf aus sein Haus und Erspartes zu bekommen was ich nun tun soll Weiß ich nicht ich bin nur noch Prellbock putze und Hausmädchen es wird mir alles zu viel aber Hilfe von außen akzeptiert er nicht ich würde am liebsten gehen


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 8 Tipps, was Sie für sich selbst tun können
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 Welche Erfahrungen machen Sie mit der Pflege Ihres Angehörigen?
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